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Teil 1: Die Revolution beginnt im Herzen!
»Noch ein Wein?«, fragt Medardon seinen Gast.
»Gerne«, antwortet Richard und reicht ihm sein Glas.
Medardon liebt es, wenn der abendlich kalte Herbstregen
gegen das große Küchenfenster prasselt und drinnen, in der warmen Stube, er mit
seinem besten Freund bei Kerzenschein und leiser Musik zusammensitzt,
weltbewegende Gespräche führend. Seine geräumige Wohnküche, ausgestattet mit
einem alten hellgrünen Sofa aus Omas Zeiten und einer brasilianischen Teekiste
als Tisch. Er mag es, die Einrichtung seiner geliebten Wohnküche zu
patchworken. Moderne Küchenzeile mit Granitflächen und hierzu im Kontrast ein
20er Jahre Küchenschrank, den er vor dem Sperrmüll gerettet und aufgemöbelt
hat. Der liebevoll gepflegte Benjamini hinter dem Sofa verleiht dem Raum sein
beruhigendes Leben, welches trotz der Bilder an den Wänden,
bunte Collagen seiner unzähligen Weltreisen, an Ausdruck gewinnt.
Das Sofa hingegen ist seinem Gast vorbehalten. Er selbst
bequemt sich ihm gegenüber in den antiken orangefarbenen Sessel mit den hohen
Lehnen. Zu seinen Füßen, auf einer dunkelblauen weichen Decke, ruht sein treuer
Begleiter Wunbert - ein wunderschöner brauner Hirtenhund.
»Schluss - aus - genug geschimpft, kritisiert,
reflektiert. Jedenfalls - vorerst«, wirft Medardon in das bereits zwei Stunden
dauernde Gespräch ein.
»Ja«, sagt Richard, »in der Tat ermüdend, sich permanent
die Missstände unserer Welt vor Augen zu führen!«
»Du sagst es. Viel wichtiger ist es doch, sich mit eben
den Dingen zu beschäftigen, die dazu beitragen, konstruktive Veränderungen in
unserer Gesellschaft herbeizuführen!«
»Eben. Reden ist Silber, Handeln ist Gold«, bestätigt
Richard und prostet mit seinem Glas in die Luft, hernach einen genüsslichen
Schluck nehmend. »Menno ist der Wein lecker. Was ist das für eine Marke?«
»Coteaux des Longudoc«, gibt Medardon mit einem Nicken
zurück.
»Oh Longudoc«, schwärmt Richard mit französischem
Akzent, »Fronnkreisch - Viva la Revolution und heiße Madames!«
»Schwerenöter«, lacht Medardon, »aber ja - Revolution.
Das ist das wahre Stichwort!«
»Aha, und wie sieht sie aus, deine Revolution?«
»Still und leise. Ungesehen von der Welt!«
»Toll. Also im Grunde das, was wir hier machen. Reden,
Wein trinken, Erdnüsse knacken und nicht zuletzt von schönen Frauen schwärmen!«
»Ja, in etwa so«, gibt Medardon lächelnd zurück,
»dennoch nicht ganz so untätig. Die wahre Revolution beginnt nämlich in deinem
Herzen!«
»Im Herzen«, überlegt Richard, »Klingt wie ein schnöder
Spruch auf einem Abreißkalender! Aber ich kenne dich - das wirst du sicher nicht
gemeint haben!«
»Du sagst es!«
Kurz wartet Richard noch, da er annimmt, sein Gastgeber
wolle seinen vorherigen Gedanken weiter ausführen. Medardon hingegen verharrt
in seinem Schweigen.
»Hm«, überlegt Richard, da er seinen eigenen
Erkenntnissen nachgeht, »Herz - sprich meine Lebensauffassung, Prägung, Kultur,
Erziehung, Erfahrungen. Summa summarum meine Identität!«
»Richtig«, applaudiert ihm Medardon.
»Gut verstehe. Aber was meinst du mit Revolution? Soll
ich gegen meine eigene Identität einen Umsturz planen?«
»Ha ha ha«, lacht Medardon, »Nein, so ist das nicht
gemeint. Ich spreche hier von einer Bereicherung und Stärkung!«
»Klosterfrau Melissengeist«, amüsiert sich Richard
singend.
»Ja - warum nicht«, geht Medardon auf seinen Scherz mit
ein, führt aber seinen eigenen Gedanken sogleich weiter aus. »Im Grunde ist es
doch wie mit einem Körper, der von Krebs befallen ist. Mittlerweile besteht in
der Krebstherapie ein klarer Konsens darüber, dass der Krebs nicht alleine
durch dessen Bekämpfung besiegt werden kann. Viel erfolgsversprechender und
heilsamer ist es, im Rahmen der Therapie die gesunden Zellen des Köpers sowie
das Immunsystem im Ganzen zu stärken. Gewinnen diese an Kraft, können die
gesunden Teile des Köpers vom Krebs nicht gefressen werden, so das todbringende
Geschwür ausgehungert wird!«
»Logisch«, bestätigt Reichard und will nun wissen:
»Ergo?«
»Nun - wenden wir diese Erkenntnis als Bild an - zur
Verdeutlichung auf unser vorheriges Thema!«
»Auf den Islam?«, fragt Richard irritiert.
»Ja. Der Krebs steht hier für den Islam, welcher unsere
westlichen sowie christlichen Grundwerte aufzufressen beabsichtigt. Je mehr wir
uns nun aber ausschließlich nur mit diesem Tumor beschäftigen, umso mehr
Energie wenden wir für ihn auf und geben diesem Geschwür immer mehr Nahrung.
Dadurch wuchert es immer weiter - bis es zuletzt auch noch seinen letzten
Kritiker gefressen hat!«
»Verstehe. Unser deutscher Köper also ist krank«,
erkennt Richard und will wissen: »Was wäre deiner Meinung nach das Immunsystem
und was die gesunden Zellen des Körpers? Diese, die es zu stärken gilt?«
»Das Christentum«, antwortet Medardon wie
selbstverständlich.
»Jetzt mach mal einen Punkt, ja«, erstaunt sich Richard,
»Von diesem Verein erhoffst du dir eine Revolution?«
Obgleich Medardon sehr genau weiß, was sein Freund nun
auszusprechen gedenkt, und dass dies überhaupt nichts mit dem zu tun hat,
worauf er selber hinaus will, lässt er Richard dennoch gewähren. Besser ist es,
so denkt sich Medardon, dass es ausgesprochen wird, so es dann zu den Akten
gelegt werden kann. Daher antwortet er schlicht und einfach: »Ja!«
»Das erschreckt mich doch sehr«, sagt Richard, »Gut. Ich
kenne dich und will dir auch nicht zu nahe treten - was deinen Glauben
anbelangt. Aber das Christentum - ein gesundes Immunsystem? Von was für einem
Unfug redest du da?«
»Also jetzt bitte. Auf welchem Planeten lebst du? Schon
vergessen, die vielen katholischen Priester mit ihrem Missbrauch von Kindern.
Und wie der Vatikan sich hier versucht aus der Affäre zu ziehen. Oder schau dir
diese Fernsehgottesdienste an - alte Leute, gähnende und traurige Gesichter
gleich ihrer Lieder, unbelebte Rituale! Zudem ...!«
Richard redet sich in Rage, sein Blick verstellt sich
nach und nach zu einem Bösen. »..., diese volltrunkene Käßmann. Vor allem - du
hast es vorhin selber kritisch wenn nicht gar ablehnend betrachtet, dass die
Kirchen den Islam unterstützen und gar bewerben, wo es nur geht. Und hast du
dieses Video von Bibel-TV gesehen? Die mit ihrem affigen Jesustanz? Boa - die
machen mich aggressiv. Oder dieser Psychopath Tebartz Van Elst mit seinem 30
Millionen Luxusklo. Vor allem - er ist doch nicht der einzige Pfaffe, der im
Luxus schwelgt - bei dem gehorteten Reichtum des Vatikans. Und hast du
vergessen, was die mit dem Drewermann und später mit diesem Hasenhüttel
angestellt haben? Jeder der Initiative zeigt und ein eigenständiges Denken
besitzt, wird rausgeschmissen anstelle ihnen ein eigenes Podium zu geben. Oder
die Kirchensteuer. Kein Wunder, wenn Jahr für Jahr so viele Menschen aus der
Kirche austreten. Vor allem diese christlichen Wirrköpfe in den
Fernsehdiskussionen. Am liebsten wollte ich da in den Fernseher krabbeln und die
ordentlich schimpfen. Ach was sage ich - würgen! Die sind doch alle nicht mehr
ganz dicht!«
Aufgeregt atmend lässt Richard von seiner Wutrede ab.
Dennoch sogleich erneut erschrocken, da Medardon bestätigt: »Ja - das ist das
Christentum. Unser Immunsystem!«
»Und das soll uns stärken? Spinnst du?«
»Tja, mein guter Freund. Da hast du etwas nicht ganz auf
die Reihe bekommen. Es geht darum, dieses Immunsystem zu stärken. Denn all das,
was du eben aufgezählt hast, stellt die Schwäche unseres Immunsystems dar. Daher
muss man zunächst auf die gesunden Zellen eingehen!«
»Aaaah!« Langsam beginnt Richard, zu begreifen. »Und was
sind deiner Meinung nach die gesunden Zellen?«
»Ganz einfach. Die neue christliche Identität!«
»Noch nie gehört«, sagt Richard und zuckt mit den
Schultern.
Eben will Medardon anheben, ihm seinen Standpunkt zu
verdeutlichen, da klingelt das Telefon.
»Ja, bitte? ... Ah, grüß dich Annabella«, freut er sich
und sein Gesicht strahlt. »Ja ... Gerne ... Kein Problem ... Ne ne - wir sitzen
hier gemütlich in der Küche, trinken Wein, unterhalten uns ... Ach so, mit
Richard ... - Grüße von Annabella - ... Zurück ... Ja, liebend gerne ... Hm-hm
- um Neun? ... Ich freu mich sehr auf dich ... Bis gleich!«
»So, so. Annabella«, lacht Richard seinen besten Freund
an, als dieser sich wieder auf seinen Sessel setzt, »Läuft da was zwischen dir
und deiner neuen Nachbarin?«
»Oooh Jo«, macht Medardon, »Mal sehen!«
»Ha ha ha! Von wegen mal sehen!«
»Na ja. Du weißt ja. Reden ist Silber, Schweigen führt
zur ...«
»... Zur Liebe. Schon verstanden!«
»Hm!«
»Was, hm?«
»Annabella kommt in etwa knapp einer halben Stunde. Du
bist natürlich herzlich eingeladen, zu bleiben. So für, sagen wir mal für
siebenundzwanzig Minuten? Weil du hast ja noch eine eigene Verabredung!«
»Einverstanden«, versteht Richard und prostet Medardon
lachend zu, will aber dann doch wissen: »Ist sie nicht ein wenig zu jung für
dich?
»Pscht!«
»Was?«
»Naja, ich will nicht, dass sie weiß, wie alt ich bin!«
»Wieso? Du gehst doch locker noch für über 50 durch!«
»Ha ha ha!«
»Nein, keine Sorge«, beruhigt ihn Richard, »Ich halte
dicht. Tatsächlich sieht man dir deine jung gebliebene Frische immer noch an!«
»Danke!«
»Nun aber zurück, zu deinen gesunden Zellen«, steigt
Richard auf das vorherige Thema wieder ein, »Deine neue christliche Identität.
Was meinst du damit?«
Sich von seinen inneren schwärmenden Bildern lösend,
atmet Medardon einmal kräftig durch. Dann antwortet er: »Die neue christliche
Identität. Hierbei geht es nicht um den Glauben an Jesus Christus. Vielmehr um
den Glauben in Gemeinschaft mit Jesus Christus!«
»Und was ist da der Unterschied?« Richard schaut fragend
drein.
»Ganz einfach. Der Glaube an Jesus wird von jeder
einzelnen Konfession, und hier gar von jeder einzelnen Gemeinde, ja sogar jedem
einzelnen Menschen eigens definiert. Hiervon zeugen die vielen Satzungen, der
Katechismus und was weiß ich! Die katholische Lehre ist mit der
protestantischen Lehre streng genommen inkompatibel. Gleiches können wir mit
allen weiteren Konfessionen fortsetzen. Versucht man auf diesem Wege eine
Ökumene zu bewerkstelligen, bleibt einem zuletzt nichts anderes übrig, als
tatsächlich den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden!«
»Aha - was ist denn eine Ökumene?«
»Das Wort kann als Oberbegriff verstanden werden für die
Bemühungen der christlichen Kirchen, eine konfessionsübergreifende Gemeinschaft
zu bilden. Zuletzt aber bedeutet es eine Rückführung aller christlichen
Konfessionen in die vatikanische Mutterkirche!«
»Wusste ich gar nicht, dass es das gibt. Und? Ist das
begrüßenswert?«
»Nein - überhaupt nicht«, erwidert Medardon, steht auf
und begibt sich mit seinem Weinglas in der Hand an die breite Fensterfront.
Nachsinnend schaut er über die dunklen Dächer hinweg, seine Blicke verschwimmen
mit den Lichtern der Großstadt. Weiterhin den Blick haltend, redet er weiter.
»Der Glauben in Gemeinschaft mit Jesus Christus. Das ist die neue christliche
Identität. Der Glaube an sich ist immer eine persönliche Angelegenheit. Das
soll nicht bedeuten, dass sich Gott an den Menschen auszurichten hat. Im
Gegenteil. Aber der gelebte und praktizierte Glaube eines Menschen ist so
individuell wie das Herz eines Menschen. Im Unterschied zu einem Glauben an
Jesus aber wird in dem Glauben in Gemeinschaft mit Jesus unser Erlöser als eine
wahrhaftige Realität erlebt. Im Mittelpunkt einer solchen Gemeinschaft steht
keine Institution mehr - keine Dogmen, keine Satzungen, keine Priester und
Ähnlichem. In der Mitte stehen einzig Jesus Christus, sein Erlösungswerk und
seine Lehre. Wenn wir darauf unsere Konzentration lenken, bilden wir eine
Ökumene mit dem größten aller gemeinsamen Nenner - Jesus selbst!«
»Gut. Das verstehe ich. Aber gibt es eine solche
Gemeinschaft, wie du sie beschreibst, überhaupt?«
»Nicht, wenn ich mich auf die unzähligen Konfessionen
und Kirchen konzentriere. Ich rede hierbei aber nicht von den Menschen - einzig
von dem institutionellen Kram. Die Ausrichtung auf Pfarrer, Papst, Satzungen,
Kanzel, Altar oder auch Bühne. Die Gemeinschaft, von der ich spreche, das sind
die Christen allerorts. Ganz gleich, ob sie Kirchgänger sind oder freie
Christen!«
»Aha - was sind denn freie Christen?«
»Na ja, solche wie ich. Konfessionslos und glücklich
damit. Ungebunden an Kirchendogmen und frei, dass zu leben, wovon Jesus
gesprochen hat!«
»Ja, aber wenn ich recht informiert bin«, gibt Richard
zu überlegen, »dann sind solche Christen wie du von den Konfessionen nicht
anerkannt!«
»Richtig. Und soll ich dir was sagen. Das ist mir total
egal. Von daher dürfte ich mich auch gar nicht Christ nennen! Obgleich ich mich
mit diesem Begriff durchaus identifiziere!«
»Und wie würdest du dich dann streng genommen
bezeichnen?«
»Als einen Nazarener. So wurden die urchristlich
jüdischen Sektenmitglieder in der Anfangszeit von den übrigen Juden genannt.
Diejenigen, die die Lehre von Jesus angenommen und verkündet haben. In den
arabischen Ländern heutzutage heißen die Christen auch noch Nazarener!«
»Gut, so weit verstehe ich es. Und wie würde eine solche
Gemeinschaft der neuen christlichen Identität ausschauen, wenn es sie einmal
gäbe?«
»Ein Kreis. Einer, innerhalb dessen jeder dem anderen in
die Augen schauen kann, wo jeder eingeladen ist, aufzustehen und diesen Kreis
zu bereichern - hierin wir alle voneinander lernen. Ich weiß, dass das geht.
Schließlich habe ich es schon einmal erlebt. Konfession und der ganze Kram
spielen hierbei keine Rolle. In der Mitte des Kreises, wie gesagt, einzig
Jesus. Sowie sein Erlösungswerk und seine Lehre. Jedoch - hiermit meine ich die
jüdisch-nazarenische Lehre, wie wir sie in den Evangelien lesen können - aber
auch das, was sich aus den Evangelien mittels neuester Erkenntnisse und
Forschungen ableiten lässt. Denn hierin liegen tiefe und teilweise
revolutionäre Gedankenansätze verborgen!«
»Gut, damit kenne ich mich jetzt nicht aus, wie sich das
Evangelium neu auslegen ließe«, merkt Richard an, »Zumal da ja einiges drinnen
steht, was mir bis heute niemand nachvollziehbar erklären konnte!«
»Aha. Was wäre das?«, hakt Medardon nach.
»Nun - zum Beispiel, dass mit der Selbstverleugnung. Wie
kann dieser Jesus nur so einen Unfug predigen. Hierzu kannst du jeden
Psychologen befragen. Die werden dir bestätigen, dass Selbstverleugnung alles
andere als heilsam ist!«
»Ja, da stimme ich dir vollends zu. Dennoch kann
Selbstverleugnung dann in der Tat eine konstruktive Herausforderung sein, wenn
dich deine Gesinnung wider deines besseren Wissens und Glaubens auf Abwege
leiten will. Das aber setzt ein Bewusstsein voraus. Ist dieses nicht vorhanden,
dann heißt das Jesuswort nicht Selbstverleugnung als vielmehr Erkennen. Im Original
nämlich sagte Jesus: Wer mir nachfolgen will, er erkennen sich selbst und ich
lege ihm mein Joch auf seine Schultern!«
»Was ist das schon wieder - das Joch?«
»Damit bezeichneten die Menschen damals das jüdische
Gesetz - vielmehr die unzähligen Satzungen, die einem Konvertiten aufgetragen
wurden, was sinnbildlich wie ein schweres Gewicht auf deren Schultern lag. Über
sechshundert Gebote und Verbote, gleich dem heutigen katholischen Kirchenrecht.
Nur durch deren Anerkennung und Befolgung konnten diese zu Juden werden. Jesus
Gesetz aber war demgegenüber leicht!«
»Dass das wäre?«
»Liebe Gott von ganzem Herzen, mit all deiner Kraft und
deiner ganzen Seele. Und liebe deinen Nächsten wie dich selbst!«
»Mehr nicht?«
»Nein. Mehr nicht!«
»Interessant. Und weshalb wird dieses Gebot heutzutage
nicht mehr in den Mittelpunkt der Kirchen gestellt?«
»Tja, das ist ja das Kreuz mit der Kirche. Vor allem mit
der Katholischen. Im Kontext zur jüdisch-nazarenischen Lehre sind Praktiken wie
Heiligenverehrungen, Marienanbetung oder auch die Form der Eucharistie
unvorstellbar, gleich der Lehren von einer göttlichen Dreifaltigkeit oder der
Hölle und nicht zuletzt dem übermäßigen Anhäufen von Reichtümern. Auch lässt
sich aus dem Papstamt keine göttliche Legitimation herauslesen! Im Vergleich zur Befreiungstheologie von Jesus ist die Lehre der katholischen Kirche eine Verdammungstheologie. Jesus sprach einzig vom Himmelreich. All das, was du im katholischen Kodex des kanonischen Rechts lesen kannst, hat mit Jesu seiner Lehre nichts zu tun. Im Kodex heißt es fortwährend wer dieses und jenes nicht befolgt, erhalte eine Beugestrafe oder gar sei ausgeschlossen - sprich verbannt - was heißt, ab in die Hölle. All dies und vieles mehr ist antichristlich!«
»Du sagst es. Ganz meine Rede. Weg mit dem Haufen. Vor
allem mit dem Franziskus«, triumphiert Richard.
»Na na na. Soweit würde ich jetzt nicht
gehen wollen!«
»Wieso? Du sagst es doch selbst - antichristlich!«
»Durchaus. Dennoch mag ich den Papst Franziskus sehr. Er
macht durchweg eine tolle Figur. Nicht nur wegen seiner vielen beeindruckenden
Gesten. Zudem, er erinnert mich von seinem Erscheinungsbild her sehr an meinen
Opi. Egal! Aber ich verstehe, was du anzudeuten gedenkst. Ganz gleich, worin er
sich nach aufrechtem und gutem Herzen zu bemühen scheint, ist Franziskus an zu
vielen Konventionen und Dogmen gefesselt, als das von ihm eine wahrhaft bedeutungsvolle
Wende zu erwarten sei. Aber auch hier lasse ich mich gerne überraschen!«
»Und wie steht es mit der katholischen Kirche als
Ganzes?«, will Richard nun auch noch wissen.
Ihn entschlossen anschauend, antwortet Medardon: »Bei
all meiner Kritik gegenüber der Institution und dem Papstamt würde ich die
katholische Kirche jederzeit und allerorts vor Angriffen, die auf ihre
Integrität abzielen, verteidigen wollen. Einzig deshalb, weil die katholische
Kirche in Wahrheit nicht aus Steinen und Münzen besteht, als vielmehr aus
lebendigen Menschen. Menschen, die ein klares JA zu dem Erlösungswerk und zu
Jesus sprechen. Christen, die in einer persönlichen und lebendigen Beziehung
mit unserem Heiland stehen. Bei all deiner berechtigten Kritik vorhin hast du
nämlich eine Sache, die von großer Bedeutung ist, vollkommen ignoriert. Ja - es
gibt hier eine Fülle an Missständen und Wirrköpfen. Aber die wahre Kirche sind
die Menschen. Diejenigen, die Tag für Tag beruflich wie auch privat ihren
christlichen Dienst nach voller Überzeugung an ihrem Nächsten vollbringen, ohne
dabei viel Lärm zu machen. Gäbe es sie nicht, wäre unser Staat nicht mehr
handlungsfähig. Ohne sie gäbe es all die unzähligen Einrichtungen mit
christlichen Trägern nicht mehr. Bildungshäuser, Schulen, Kindergärten,
Krankenhäuser, Altenheime, Seelsorge, Vereine, Stiftungen. Wären diese von
heute auf morgen nicht mehr vorhanden, dann wäre Schluss mit lustig!«
»Hm - da ist was dran. Und ja, ich nehme deine Kritik
an. Was ich zuvor beschrieben habe, das ist einzig der Lärm, der um das
Christentum gemacht wird. Das, wovon du eben sprachst, das geschieht in aller
Stille. Wird kaum bis gar nicht erwähnt!«
»Eben - und bezogen auf all diese Menschen, sowohl unter
ihnen als auch außerhalb der Kirchen wirst du die neue christliche Identität
finden. Nicht bei denen, die Lärm machen - sprich Institutionen mit ihren
dickbäuchigen Würdenträgern! Oder diesen durchgeknallten Charismatikern!«
»Okay? Charismatiker? Was ist das schon wieder?«
»Eine Bewegung, die von sich selbst behauptet christlich
zu sein und überdies vorgibt, sie würden den Heiligen Geist über ihre Anhänger
ausschütten! Was für ein Irrsinn. Denn jeder lebendige Christ trägt den
Heiligen Geist bereits dauerhaft in sich. Und wie erschreckend, wie viele
unerweckte Menschen es zu deren Veranstaltungen zieht. Vor allem junge
Christen! Im Laufe der Predigten werden die Menschen in einen euphorischen
Zustand gebracht, wie man das wunderbar auf Youtube Videos vom sogenannten
Toronto-Segen sehen kann. Die dort nach dem Heiligen Geist irregeleiteten
Hungernden robben auf dem Boden herum, bellen wie Hunde und gackern wie Hühner,
lachen wie volltrunken und plappern irgendein Kauderwelsch wie zawlazaw und
kawlakaw vor sich hin. Sie nennen es Zungenreden. In Wahrheit aber ist es ein
Schwarmgeist, der sich ihrer bemächtigt. Sie laden sich bei solchen
Veranstaltungen emotional auf, wie mit einer Droge. Zu Hause werden sie wieder
nüchtern, weshalb sie am nächsten Wochenende nach dem nächsten Schuss gieren
und erneut dorthin müssen! Aber auch hierzulande schleicht sich diese
charismatische Bewegung langsam in unser Christentum ein. Heimtückisch wie eine
Schlange und versprüht hier ihr Gift. Durchaus geschickter - weit verbreitet
sind in den Kirchen heutzutage die sogenannten Alpha Kurse. Was die Christen
nicht wissen ist, dass diese Kurse von dem eben beschriebenen Toronto-Segen und
dessen Ideologie beeinflusst sind!«
»Krass«, staunt Richard und will wissen: »Wer macht denn
so etwas!«
»Das mein Bester, willst du gar nicht wissen. Und offen
gesprochen habe ich keine Lust, heute über die Jesuiten zu reden. Würde viel zu
lange dauern«, erklärt ihm Medardon, kurz auf die Uhr deutend.
»Ah, klar«, versteht Richard und zwinkert mit dem Auge,
»die hübsche langhaarige Brunette!«
»Richtig«, bestätigt Medardon und lächelt selig.
»Und?«
»Und was?«
»Na, verknallt?«, will Richard wissen.
»Pscht!«
»HEY, mir kannst du es doch sagen!«
»Hm«, macht Medardon, »Auf den ersten Blick. BOING hat‘s
gemacht!«
»Und sie?«
»Sie was?«
»Na, zeigt sie eine Annäherung an dich?«
»Hm - mal sehen!«
»Mal sehen, was?«
»Du kannst es nicht lassen, oder?«, lacht Medardon.
»Ne!«
»Also gut. Sieht ganz danach aus. Und jetzt ist gut.
Okay?«
»Einverstanden«, gibt Richard nach und schwenkt sogleich
wieder um: »Aber jetzt mal zurück zum Thema. Demnach kollidiert das institutionelle
mit dem gelebten Christentum! Oder sehe ich das falsch!«
»Nein, nein«, bestätigt ihn Medardon, »Das hast du
hervorragend erkannt. Und würden die einzelnen Christen das ebenso erkennen,
würden sie ohne weiters in den Kreis hinzukommen wollen, von dem ich sprach!«
»Ohne Weiteres? Sicher?«
»Nun gut. Sie müssten natürlich zuvor dazu bereit sein,
ihren Alleingültigkeitsanspruch über eine christliche Interpretation
aufzugeben. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, als müssten sie ihre
Gemeinde aufgeben, wenn sie in diesen Kreis kämen - ganz im Gegenteil. Der
Kreis dient zur Stärkung der gesunden Zellen, die in den jeweiligen Gemeinden
beheimatet sind. Und mit der Zeit führt dies dann automatisch zur Stärkung des
Immunsystems. Auch soll der Glaube hierdurch nicht verändert werden. Denn mein
Glaube ist nicht gültiger und richtiger vor Gott als dein Glaube. Ein jeder
wählt für sich persönliche Formen, innert derer er seinen Glauben am besten
Ausdruck verleihen kann. Ein jeder wählt hierfür seine Gemeinde, seine Kirche,
seine Konfession oder gar auch Sekte. Und? Wen interessiert es? Gott? Nein!
Dieser schaut ohnehin nur einzig und allein auf dein Herz. Nicht auf deine
äußere Religion, Konfession oder Sektenzugehörigkeit. Nicht in diesen
weltlichen Gebäuden ist die Wahrheit zu finden, von der Jesus zeugte und uns
lehrte. Nur in deinem Herzen, welches Grund deines Bekenntnisses zum Erlöser
mit dem Heiligen Geist getauft ist. Und eben dies bildet einen der zentralsten
Punkte der neuen christlichen Identität. Diese, die sich bereits allerorts
bemerkbar macht!«
»Hm. Obgleich ich nicht religiös bin, denke ich, dass
eine Religion schon seinen Sinn hat. Andernfalls wäre jeder darin versucht,
sich seine Lehre so zurechtzuzimmern, wie es ihm beliebt!«
»Richtig. Eine Weltreligion wie das Christentum ist
wichtig, so sich eine Glaubensgemeinschaft sowohl spirituelle als auch
kulturelle Maßstäbe und Werte aufbauen kann. Ebengleich die Lehre zu bewahren
helfen. Aber wie der Name schon sagt - es ist eine WELT-RELIGION. Eine
Religion, einzig für die Welt. Hierbei aber ist es wichtig, die Religion wie
ein Gefäß aus Ton zu betrachten, welches nicht gebrannt wird als vielmehr immer
mit Wasser formbar gehalten wird. Alleine so passt sich die Religion dem
gelebten Geist innerhalb der Gemeinschaft an. Auf unsere Kirchen bezogen
bedeutet dies, dass denen das Wasser schon lange ausgegangen ist. Daher sollten
wir uns auf den besinnen, der von sich sagte, er sei das lebendige Wasser. Jesus!«
»Okay,
Medardon. So
langsam beginne ich zu begreifen, wovon du da redest. Was aber verstehst du
unter der neuen christlichen Identität? Ich würde zu gerne wissen, wie sich
diese definiert und woraus sie sich ableitet!«
»Gute Frage«, gibt Medardon zurück und läuft
nachdenklich in der Küche auf und ab. Hin und wieder mal an dem Wein nippend
und eine Zigarette rauchend.
»Stell dir einfach mal vor«, sagt er schließlich, »Eines
Tages stehst du vor Jesus. Was denkst du, wird er dich als allererstes Fragen?«
»Keine Ahnung? Woher soll ich das wissen?«
»Dann hör zu und lerne«, eröffnet Medardon sein
folgendes kleines Schauspiel, da er seinen Worten mit gespielten Gesten
Nachdruck verleiht.
»Du kommst in den Himmel und Jesus empfängt dich!!!
»Und, mein liebes Kind? Warst du auch brav katholisch
und hast dem Papst die Treue gehalten?«
»Ja, Herr Jesus! Habe ich!«
»Prima«, wird er hierauf sagen, »dann darfst du auch in
den Himmel eintreten!«
Wenn du dem vorherigen Dialog zustimmst, dann muss ich
dich leider enttäuschen. Denn das hat mit der neuen christlichen Identität
nichts zu tun. Nun denn - versuchen wir es noch einmal.
»Und, mein liebes Kind? Warst du auch brav
heterosexuell?«
»Nein, Herr Jesus. Ich bin schwul!«
»Oh, mein armes Kind. Dann muss ich dich leider auf ewig
in die Hölle schicken!«
»Willst du aber nicht wenigstens wissen, dass ich auch
immer lieb zu dir gebetet habe?«
»Nein, mein bedauernswertes Kind. Da du schwul bist,
interessiert mich alles andere nicht!«
»Okay! Wo muss ich lang?«
»Dort entlang!«
»Danke! Autsch!«
Solltest du auch diesem Dialog zustimmen, muss ich dich
abermals enttäuschen. Auch das hat mit der neuen christlichen Identität nichts
zu tun. Also auf - noch einmal. Nur Mut! Du kannst das!
»Und, mein liebes Kind? Hast du in deinem Leben wirklich
geliebt und bist du geliebt worden? Und hast du nach deiner Liebe gehandelt?«
»Ja, Herr Jesus. Das habe ich!«
»Prima«, wird er sich freuen und weiter wissen wollen,
»Und wie ist das mit mir? Hast du auch mich wirklich geliebt?«
»Nun. Kann ich nicht so genau sagen. So richtig kannte
ich dich nicht!«
»Aha«, wird er sich wundern, »Und wie ist es jetzt, da
ich vor dir stehe?«
»Nun«, wirst du überlegen, »Nun erkenne ich dich und finde
schon, dass du ein cooler Typ bist. Ja - ich liebe dich!«
»Wunderbar«, wird sich Jesus freuen. »Na, dann komm
herein und wir schauen uns mal an, was wir für dich tun können!«
»Danke«, wirst du staunend sagen.
»Oh, mein liebes Kind. Danke für dein Danke. Aber dafür
brauchst du dich nicht zu bedanken!«
»Aha. Und wofür dann?«
»Na schau doch, mein liebes Kind!«
»OHHHHHH!«
Und? Was denkst du über diesen Dialog? Wenn du dem
zustimmst und neugierig darauf bist, was Jesus im Folgenden zu tun gedenkt,
dann - ja, dann bist du in der neuen christlichen Identität tatsächlich
angekommen!«
Richard lacht in Tränen. Nicht wegen der Worte, die er
durchaus verstanden hat. Vielmehr, weil es Medardon versteht, derartige Reden
lustig zu schauspielern. Dann aber will er wissen: »Ist es aber in der Tat so
einfach?«
»Im Grunde genommen ja«, versichert ihm Medardon,
»Sicher, ich gebe zu, vorheriger Dialog ist äußerst simpel gehalten. Dennoch
liegt diesem die Essenz der Lehre Jesu, wie wir sie in den Evangelien lesen
können, zugrunde. Diese gilt es, in deinem Leben zu entdecken, anzunehmen und
zu bekennen, zu kultivieren und in der Begegnung mit einem jeden Menschen
umzusetzen. In alle dem begründet und erschließt sich dein persönliches
Bekenntnis zu der Gnade Gottes, seiner Liebe zu dir - sowie deine Liebe zu ihm. Einzig und allein hierauf kommt es an.
Alles andere in deinem Leben spielt eine untergeordnete bis hin zu einer
unbedeutenden Rolle.
Ist dieses Bewusstsein Gottes in dir erst einmal
entstanden, wird es eben dieses sein, welches dich in deinem Leben Tag für Tag
begleitet, erzieht und bereichert. Und ebengleich wünschst du dir nichts
sehnlicher, als dass du selbst eine ebenso große Bereicherung für die Menschen
bist, denen du begegnest.
Wenn du dir all dies vergegenwärtigst, welche Rolle
spielt hierbei dann deine Religion, deine Konfession, dein
Wohlstandsevangelium, deine Gesinnungen und alles andere? Wenn du doch gelernt
hast, den Geist Gottes, den uns Jesus gelehrt und uns zugänglich gemacht hat,
zu bejahen und in dir wirken zu lassen. Ist dies der Fall, dann wächst du in
ein Leben hinein, dass aus sich selbst heraus auch dann von Bestand sein wird,
wenn du einst im Himmelreich sein wirst. Alles andere, was nicht von Bestand
sein wird, fällt von dir automatisch ab!«
Für einige Minuten schweigen beide. Richard sitzt
nachdenklich auf seinem Sofa, starrt in das flackernde Kerzenlicht. Ab und an
hebt er seinen Atem, etwas sagen wollend. Lässt das Ungesagte aber versiegen.
Zuletzt aber stellt er fest: »Hätte ich nicht gedacht!«
»Was?«
»Nun, dass ich in der Tat eines Tages darüber nachdenken
würde, an all das glauben zu wollen!«
»Und was hindert dich daran?«
»Nun - meine Vernunft!«
»Soll ich dir sagen, was vernünftig ist?«
»Bitte. Gerne!«
»Tritt du für dich deinen persönlichen Gottesbeweis an!«
»Und wie?«
»Ganz einfach. Wenn du magst, dann begebe dich in dein
stilles Kämmerchen und rede mit Jesus. Sage ihm, dass wenn es ihn wirklich
gibt, so solle er sich in deinem Leben bemerkbar machen. Das Einzige, was du
daraufhin in den folgenden Tagen tun musst, ist zu dir selber ehrlich zu sein.
Beobachte dein Leben und bewerte die Dinge, die mit dir geschehen unter eben
diesem Aspekt, dass Gott hier deine Bitte erfüllt. Gib ihm eine Chance. Ich
sage dir. Wenn du deine Bitte mit einem reinen Herzen sprichst und ebengleich
auf dein Leben achtest, wird sich Gott dir mitteilen und du wirst ihn finden.
Das ist eine Sache nur zwischen dir und ihm. Du brauchst und solltest auch mit niemandem
darüber reden. Denn so bist du nur mit deinen eigenen Zweifeln konfrontiert.
Nicht mit denen von deinen Mitmenschen. Denn eines musst du wissen. Gott lässt
sich von demjenigen finden, der nach ihm aufrecht sucht! Und einzig auf diesem
Wege lässt sich Gott beweisen!«
»Hm. Überlege ich mir. Klingt gut! Aber weshalb soll ich
diesbezüglich mit Jesus reden, wenn es dann doch Gott ist, der mir antwortet!«
»Das wirst du selbst herausfinden. Soviel aber sei
gesagt. Jesus ist nicht Gott. Aber Gott ist Jesus!«
»Ach«, staunt Richard und scheint bereits zu begreifen.
Erneut schweigen die zwei besten Freunde für eine Weile.
Richard sinnt dem Vorschlag eine Weile nach. Dann aber überlegt er: »Wenn es
das ist, was du mit der neuen christlichen Identität meinst, dann frage ich
mich, wie es überhaupt dazu kam. Ich meine, dass alles, was du sagst, klingt
logisch und nachvollziehbar. Dennoch steht es dem mir bekannten Christentum
völlig entgegen. Wie also kommt es, dass das Christentum seinen
zweitausendjährigen Fesseln entkommen konnte?«
»Nun - wenn du mich fragst. Keine Ahnung. Aber diese
neue Identität ist da und in unserer Zeit angekommen. Dennoch versuche ich, es
zu beantworten. Das kann ich aber nur dadurch, wenn ich einige Stationen meines
eigenen Lebens kurz Revue passieren lasse. Daher lade ich dich auf eine kurze
Reise durch mein Leben ein. Magst du mein Follower sein?«
»Gerne!«
»Prima! Also, ich wurde in eine behütete christliche
Familie hineingeboren, besuchte seit Kindesalter an unsere
evangelisch-freikirchliche Gemeinde. Gott und Jesus waren für mich von daher
immer eine Selbstverständlichkeit - eine persönliche Beziehung hingegen zu Gott
unterhielt ich nicht. Wieso auch? Er war ja immer bei mir. Meine
Lieblingsgeschichten aus der Bibel sind bis auf den heutigen Tag die von Josef
und natürlich die von Jesus. Was war ich erstaunt, als ich erst in den letzten
Jahren im Rahmen eines Bibelstudiums die Parallelen beider Geschichten begann zu
begreifen!«
»Aha. Die da wären!«
»Nicht jetzt. Das führt zu weit. Ist aber ein echter
Hammer. Egal. Meine Mama fragte mich immerzu, ob ich mich taufen lassen wolle,
ich aber verneinte ihren Wunsch. Irgendwie war mir das nicht geheuer. Damals
wusste ich nicht warum - ließ das unberührte Wasser einfach an mir abperlen.
Und ebengleich kultivierte ich meinen Glauben nicht. Wieso auch? Ich glaubte ja
schließlich und alles war gut so.
Mit zehn Jahren wurde ich Elvis Fan. Nun denn - bald
schon kaufte ich mir meine ersten Elvis-LPs und war Feuer und Flamme für ihn,
seine Stimme sowie seine Musik. Ich spürte, wie sehr ich begann, diesen
Menschen zu verehren. Ohje - das hingegen erschreckte mich dann doch - dieses
Gefühl um einen Menschenkult. Da ich aber auf seine Musik nicht verzichten
wollte, machte ich mich also kundig. Ich kaufte mir ein Buch über ihn und oh,
welche eine Freude. Ich lernte, dass Elvis ein zutiefst religiöser Mensch war
und Jesus liebte. Wunderbar lachte ich und legte sogleich eine seiner Platten auf
und sang: Love Me Tender!«
»Ha ha ha«, lacht Richard, »Was hat der Elvis mit deinem
Glauben zu tun?«
»Er persönlich wenig - abgesehen davon, dass er Gospel
singt wie kein anderer. Es ist nur so - schon sehr früh in meinem Leben stellte
ich fest, dass mir dieser Jesus in allem, was ich erlebte, am wichtigsten war.
Daher!«
»Aha - verstehe«, gibt Richard zurück und folgt
weiterhin gespannt Medardons Bericht.
»Mit 16 Jahren begann ich aktiv, mich mit meinen
spirituellen Fragen zu beschäftigen. Ich erlernte die Transzendentale
Meditation, marschierte zweimal tapfer über tausend Grad heiße Kohlen, besuchte
für eine kurze Zeit eine Oshogruppe, erlernte Reiki und las in diesen Jahren
die verrücktesten Bücher. Und soll ich dir was verraten. Allerorts versuchten
mir meine spirituellen Lehrer weiszumachen, ich könne mich selbst erlösen und
erleuchtet werden. Erlösen, von was auch immer. Erleuchtet in eine nebulöse
Welt hinein. Egal. Irgendwie waren mir deren Angebote nie attraktiv genug. Weil
- in allem suchte ich einzig Jesus zu finden.
Aber oh, wie toll. In der Tat konnten mir alle meine
damaligen Lehrer Jesus darreichen. Jesus als Weltenlehrer, als einen
buddhistischen Meister, als Gründer und Bringer des Christusbewusstseins, als
fließende universale Heilenergie. Und was denkst du, habe ich gestaunt, als ich
von einem meiner Gurus erfuhr, dass Jesus in seiner Präexistenz den Namen
Luzifer getragen haben soll!«
»Bitte«,
staunt Richard, »Luzifer? Das ist doch jetzt nicht dein Ernst?«
»Nein, natürlich nicht«, beruhigt ihn Medardon sogleich,
»Und tatsächlich habe ich das auch nicht geglaubt. Aber diese Spinner glauben
und verbreiten so einen Unfug!
Wie auch immer. Der eine Guru lud mich dazu ein, den
Christusgeist wissenschaftlich zu ergründen.
Einer säuselte mir fortwährend ins Ohr: Ooooom -
Liiiiiicht - Liiiiebe - Christuuuuus - AuuuuuuRaaaaa - Faaaaaarbe - Oooooom!«
»HA HA HAAAAA«, amüsiert sich Richard.
»Ja, so sind die Freaks drauf. Wiederum ein anderer
Lehrer brachte mir bei, wie ich meinen persönlichen Christus in mir selbst
anbeten und zur Entfaltung bringen könne.
Während meiner Meditationen reiste ich gedankenlos durch
das gesamte Universum.
Meine heilenden Hände brachten mich andauernd zum
Kotzen!«
»Bitte? Zum Kotzen?«
»Ja, ist wahr. Keine Ahnung warum. Aber bei dieser
Reiki-Energie wurde mir immer schlecht. Naja.
Als ich auf den glühenden Kohlen tanzte, ohne mich
hierbei zu verbrennen, träumte ich bereits davon, auf den Friedhof zu
marschieren, so ich dort unseren lieben Hund wieder zum Leben erwecken wolle!«
»HA HA HA
HAAAAAAA!«
»Ha ha ha! Was soll ich sagen. In dieser
Zeit war es so, als wäre ich gewandert durch die Wüste der Versuchungen. Hier
aber konnte ich Jesus nicht finden!«
»Wieso?«
»Nun, weil Jesus bereits bei mir war. Ich wusste es aber
nicht!«
»Wieso wusstest du es nicht?«
»Nun, weil ich ihn nicht als denjenigen versuchte zu
begreifen, der er in Wahrheit ist. Unser Erlöser und Gott!
Aber eben dieser wahre Jesus ließ sich von mir eines
Tages finden, da ich aufrechten Herzens nach ihm fragte. Dennoch vergingen
sechs weitere Jahre, bis ich mich damals, da ich das Heilige Land besuchte, im
Jordan taufen ließ. Als ich hernach dem Jordan entstieg, spürte ich, wie mich
sogleich der Heilige Geist durchströmte. Junge, Junge, war das ein
überwältigendes Gefühl! Und alle vorherigen Geister, denen ich mich zuvor
ausgesetzt hatte, wichen von mir!«
»Und was macht dich so sicher, dass es tatsächlich der
Heilige Geist und keine Selbsttäuschung war?«
»Ha ha. Ich habe schon so einiges in meinem Leben
ausprobiert, erfahren aber auch inhaliert - he he. Dadurch lernte ich, die
Geister zu unterscheiden. Und einfach nur krass. All das, was ich zuvor erlebte
- meine universalen Seelenreisen, die kotzenden Heilenergien, die Trance auf
dem Feuer - ne, ne, mein Freund. Das alles ist bedeutungslos sowie ein
schäbiges und schwaches Licht im Vergleich zu der überwältigenden Strahlkraft
des Heiligen Geistes. Der ist wahrhaftig und so was von lebendig. Danach willst
du nichts mehr anderes!«
»Interessant. Und weshalb bist du dann immer noch ein
Raucher? Es heißt doch, der Heilige Geist würde den Menschen verwandeln«, merkt
Richard kritisch an.
»Richtig! Gute Frage«, bestätigt Medardon. »Hierüber
habe ich lange nachgedacht. Und soll ich dir was verraten. Das Rauchen ist für
mich eine geistige Bremse. Ohne dieser wäre ich schon längest durch die Decke
geschossen und nicht mehr auf der Erde. Ich habe aber das Gefühl, dass die Welt
mich noch braucht. Daher! Zudem rauche ich gerne!«
»Hm - unerwartete aber ehrliche Antwort. Und dann? Was
geschah nach deiner Taufe und dem Heiligen Geist?«
»Tja - völlig verstrahlt entstieg ich dem Jordan und
setzte mich unweit der Taufstelle auf die Steintreppe. Da kam eine Spanierin
auf mich zu, voll euphorisch und redete mit den wenigen Worten, die sie auf
Englisch sprechen konnte, fortwährend auf mich ein. Aufmerksam hörte ich ihr
zu. Weil - tags zuvor saß ich abends in einem Restaurant in Tiberias am See
Genezareth. Ich roch die schwüle Seeluft, trank einen leckeren Weißwein,
speiste einen Sankt Peters Fisch und blickte verträumt auf die glutrote Sonne,
die hinter den Golanhöhen langsam versank. Ich nutzte diesen Abend sowie die Stimmung
dazu, Gott darum zu bitten, er möge mit meiner Taufe mir auch eine Botschaft,
ja wenn möglich mir meine Mission mit auf meinen Weg geben. Ganz gleich, wie er
dies zustande bringen möge!"
»Die Spanierin. Richtig?«
»Du sagst es. Sie kam also auf mich zu und sprach
wiederholte Male, in etwa so was wie: Ich weiß nicht, weshalb ich ihnen das
sage. Aber ich muss es ihnen sagen. Es überkommt mich in diesem Moment. Es ist
vollkommen gleich, wie oft sie sich noch taufen lassen wollten. Einmal, hundert
Mal. Das spielt keine Rolle. Einzig wichtig ist, gehen sie zu den Menschen und
reden sie mit ihnen. Stellen sie sich nicht die Frage, was sie ihnen sagen
wollen. Der Heilige Geist, der über sie gekommen ist, wird ihnen die rechten
Worte in den Mund legen!«
»Das hat sie zu dir gesagt?«
»Ja - etwa drei bis vier Mal hintereinander wiederholte
sie es. Ich saß einfach nur da, staunte und lachte. Allmählich begann ich es,
zu erahnen. Der Herr schien mir die Gabe der Rede geschenkt zu haben und die
Frau war meine Zeugin. Und ja - einige Wochen später in Jerusalem führte ich
ein hitziges Gespräch mit einem jüdischen Religionsstudenten. Er arbeitete in
einer Bibliothek unterhalb des Abendmalsaales, in dem Jesus angeblich sein
letztes Abendmal feierte. Wie auch immer. Zuletzt stritten der Jude und ich uns
über die Frage, wer von uns beiden den einzig wahren Glauben besitzt. Du musst
hierzu wissen, damals war ich noch ein großer Eiferer. Davor konnte mich auch
der Heilige Geist nicht bewahren - dennoch erzog er mich seither darin, mich zu
zügeln. Jedenfalls, wir stritten um den wahren Glauben, da hielt ich abrupt
inne und besann mich. Gott, sprach ich in meinen Gedanken, so kommen wir nicht
weiter. Bitte übernehme du meine Zunge und lass mich sprechen, was deine Worte
sind und zugleich meinem Herzen entspringt!«
»Aha - und was geschah dann?«
»Nun - ich lachte den Juden lieb an, legte meine Hand
freundschaftlich auf seine Schulter und sprach, ganz ohne Mühe: Ob nun Jude
oder Christ. Das spielt doch keine Rolle. Solange wir beide Gott unseren Vater
- Adonaj - im Herzen tragen und ihm allein die Ehre geben, so sind du und ich
Brüder im Geiste und hierin immer miteinander verbunden!«
»Toll! Und er? Was sagte er?«
»Nun - er staunte, dann lachte er mich an. Zuletzt
nahmen wir uns beide brüderlich in die Arme. Hernach sagte ich Shalom, er
ebenso. Dann gingen wir in Frieden auseinander. Das war mein erstes Mal, da der
Heilige Geist mir seine Worte in den Mund gab - jedoch ein jedes dieser Worte
entsprach meinem eigenen Herzen. Es was so wunderbar. Zuletzt erkannte ich,
nicht die Worte, die ich sprach, stifteten den Frieden zwischen dem Juden und
mir. Es war das Wirken des Heiligen Geistes als solcher. Seither habe ich den
Heiligen Geist schon unzählige Male derart in mir wirken sehen - ich möchte
nimmer mehr ohne ihn sein!«
»Jetzt mal ehrlich - hättest du auf eine derart einfache Antwort nicht von alleine kommen können?«
»Durchaus. Grund meines Eifers jedoch war ich für diese blind. Du musst wissen, der Heilige Geist wird auch genannt der Geist der Wahrheit. Hier also war es eben dieser Geist, der mir zunächst diese Wahrheit erschloss, vielmehr meinen eigenen erhitzten Geist mäßigte, so ich dazu befähigt war, diese einfache Wahrheit zu begreifen. Weil, nicht in deinem eigenen Denken findest du die Wahrheit. Einzig in deinem Herzen. Über diesen Weg kommunizierst du mit Gott. Daher sprach ich anfangs auch von der Revolution des Herzens, welche ruhig vonstattengeht - ruhig vor der Welt aber Laut in deinem Innern. Du verstehst?«
»Allmählich«, bestätigt Richard, hakt dennoch nach: »Und du bist dir zu einhundert Prozent sicher, dass es
ihn wahrhaftig gibt? Dass es wirklich der Heilige Geist ist!«
»Mehr als das, mein Freund. Viel viel mehr als nur zu
einhundert Prozent! Denn er ist seither dauerhaft in mir verblieben. Eben jetzt
ist er hier und begleitet unser Gespräch!«
»Kann ich ihn auch haben?«
»Sicher!«
»Und wie?«
»Wünschst du ihn dir, mit deinem ganzen Herzen, mit all
deiner Kraft und deiner ganzen Seele?«
»Ja!«
»Und bist du bereit, dessen Stifter, Gott der Vater, im
Namen Jesus Christus ebengleich zu lieben?«
»Ja!«
»Dann lade ich dich zu deiner Taufe ein. Magst du?«
»Durchaus. Aber - du kannst mich taufen? Ich dachte, nur
Priester dürften dies!«
»Oho - Jesus sprach einst zu seinen Jüngern, da er sie
beauftragte: Gehet hin und taufet die Menschen im Namen des Vaters, des Sohnes
und des Heiligen Geistes. Was denkst du, wer mich getauft hat?«
»Keine Ahnung!«
»Ich weiß es auch nicht. Da war ein junger Spanier,
vermutlich aus derselben Pilgergruppe, wie die Frau, die zu mir sprach. Er
stand im Jordan und taufte mich. So einfach war das!«
»Ich verstehe - also bist auch du ein Jünger Jesu!«
»Richtig. Eben deshalb lade ich dich zu deiner Taufe
ein, so auch du ein Jünger Jesu und ein Kind Gottes bist. Shalom?«
»Shalom!«
Erneut spürt Medardon, dass sein bester Freund dem eben
Gesagtem nachsinnt, und lässt ein wenig Ruhe einkehren.
»Und all das«, will Richard schließlich wissen: »Wie ist
das jetzt auf das mit der neuen christlichen Identität anzuwenden?«
Sich beiden noch einen Wein einschenkend, erklärt
Medardon: »Jesus Christus wurde in den letzten Jahrzehnten entführt. Von allen
möglichen Heilsverkündern. Er wurde entführt, instrumentalisiert, aus der
nazarenischen Lehre ausgekoppelt, zweckentfremdet, verleumdet. Mein Glück bei
alle dem war, dass ich dennoch in alle dem Jesus begegnen konnte. Nicht ihm,
wie er wahrhaftig ist. Das kam viel, viel später. Aber ich lernte zudem, dass
die Entführung Jesu durchaus zulässig ist. Nämlich dann, wenn er aus dem
christlich verstockten Kirchendogma entführt und zurückgeführt wird in seine ursprüngliche
jüdisch-nazarenische Position. Dorthin, wo er wahrhaftig hingehört. Als der
einzige und wahre Erlöser aller Menschen. Als der einzige und wahre Gott, in
der Art, wie er uns Menschen zu begegnen imstande ist. Als der Mensch Jesus von
Nazareth, der Messias - Yeshua Ha-Mashiach.
Ich lernte, dass es zwischen diesem Jesus und mir keinen
Mittler braucht. Ich kann direkt zu ihm kommen. Ohne den Umweg über einen
Pfarrer, ein Kirchendogma oder eine Buße nehmen zu müssen. Denn Jesus sagte
einst über sich selbst, er sei der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand
kommt zum Vater, als nur durch ihn. Auch sprach er: Kommt her zu mir, die ihr
mühselig und beladen seid. Das ist eine direkte und persönliche Einladung.
Dazu, deinen Weg zu beschreiten und ihm zu begegnen, hierzu hat er damals so
wie heute alle Menschen eingeladen. Und eben diese Einladung wird von der neuen
christlichen Identität ausgesprochen. Von jedem einzelnen Jünger, von jeder
einzelnen Jüngerin. Denn wir sind es nach Jesu Lehre, die zu seinen Priestern
und Priesterinnen berufen sind. Sobald der Heilige Geist in dir Wohnung
genommen hat, wirkt in dir die Autorität Gottes nach den Gaben, die er dir
zuteilwerden lässt. Und alles, was du zu deinem Leben wahrhaft benötigst, lässt
er dir zuteilwerden.
Hierdurch zeigt und beweist sich der Welt die neue
christliche Identität.
Und eben
hiervon, dass sich diese neue christliche Identität der Welt zur rechten Zeit
offenbaren und sich seinen Raum in aller Öffentlichkeit schaffen wird, sprach
Jesus einst selbst. Obgleich sich der prophezeite Umstand hierzu relativ leicht
aus den Evangelien an dieser Stelle anführen ließe, empfehle ich dir, das
entsprechende Studium selbst vorzunehmen. Es ist ein wahrer Augenöffner.
Die wirklich wichtige Frage aber bei alle dem ist einzig
und alleine diese: Willst du mit dabei sein?«
Richard lacht leise in sich hinein. Mit einem
entschlossenen Blick antwortet er schließlich: »JA«, und will wissen: »Und was
gilt es dabei, zu beachten?«
»Einzig zu lieben«, gibt ihm Medardon zu verstehen und
prostet ihm mit seinem Weinglas zu.
»Auf die Liebe«, entgegnet Richard ebengleich, als im
selben Moment die Türglocke läutet.
»Annabella«, freut sich Medardon mit leicht bebendem
Atem, als er die Türe öffnet und seiner Besucherin mit einladender Geste den
Weg in sein Heim deutet.
»Hallo«, entgegnet sie singend, drückt ihm ein Küsschen
auf die Backe und folgt hernach seiner Einladung. Jedoch muss sie sich zunächst
um Wunbert kümmern, der sie fiepsend mit wedelnder Rute begrüßt, um sie
herumtänzelnd.
»Wunbert - aus«, befielt Medardon seinem Hund.
»Ach lass ihn doch. Ich mag deinen Hund«, entgegnet sie
lachend und knuffelt Wunbert ein wenig.
In der Küche angekommen, reicht Annabella ihrem
Gastgeber die Flasche Wein, die sie mitbrachte - Coteaux des Longudoc - und
begrüßt Richard.
»Ihr kennt euch ja bereits«, stellt Medardon fest,
derweil ein weiteres Glas für seine Besucherin auf den Tisch stellend.
»Sicher«, bejaht Annabella und macht es sich sogleich
auf dem Sofa gemütlich. »Ach ist das bei dir gemütlich«, sagt sie und schenkt
Medardon ein liebes Lächeln.
»Ja, gell«, erwidert er und sucht nach weiteren Worten,
die ihm jedoch partout nicht einfallen wollen. Nervös hangelt er nach der
Schachtel mit den Pfefferminz Bonbons und wirft sich verlegen gleich Fünfe ein.
»Und?«, durchbricht sie sogleich das drohende Schweigen,
»Was ist das Thema?«
»Bitte?«, hakt Medardon direkt kauend und nuschelnd nach,
ihr derweil einen Wein einschenkend. »Was meinst du?«
»Na, ihr habt doch sicher nicht nur Wein getrunken und
geschwiegen!«
»A a ach
so. Natürlich«,
orientiert er sich kurz, als ihm Richard zuvorkommt.
»Wir hatten uns zuvor über das Thema Islam unterhalten,
als ...«
»Puh, bitte nicht«, unterbricht sie Richard mit einer
abwinkenden Geste, »Muss jetzt nicht wirklich sein!«
»Nein, nein, keine Panik«, beruhigt er sie sogleich,
»Medardon lenkte das Gespräch recht schnell um!«
»Aha«, will sie wissen. »Und worauf?«
»Nun. Hin zu der Frage, wie man konstruktive
Veränderungen in unserer Gesellschaft herbeiführen könne!«
»Interessant«, stellt Annabella fest, prostet beiden mit
dem Weinglas zu und fragt scherzhaft: »Und? Einen Plan zur Weltrettung
gefunden, Mister Obama?«
Richard und Medardon lachen, erwidern ihr Prosit.
»Könnte man so sagen«, gibt Richard zurück, »Ich denke,
mein bester Freund hat mich bekehrt!«
»Ach. Was da heißt?«
»Zu einem Nazarener, wenn ich es so recht verstanden
habe«, stellt er fest, mit einem leicht fragenden Blick an seinen besten Freund
gerichtet.
»Richtig«, erwidert Medardon, schluckt die letzten
Pfefferminze und lacht in die Runde.
»Toll«, freut sich Annabella, erhebt erneut das Glas und
prostet: »Auf den Dude!«
»Auf den Dude«, freut sich auch Medardon.
Richard hingegen wundert sich und will wissen: »Der
Dude?«
»Jesus«, antworten Annabella und Medardon gleichzeitig,
sich hierbei in die Augen lachend.
»Ah, verstehe«, versteht er und bestätigt: »Auf den
Dude!«
»Und wie hat er es zustande gebracht, dich zu
bekehren?«, will Annabella direkt wissen.
»Nun, was heißt bekehren. Ich denke schon, dass ich
hierhin einen Weg einschlagen will - dennoch muss ich all das, was ich heute
erfahren habe, mir erst noch einmal durch den Kopf gehen lassen!«
»Das da wäre?«
Im Folgenden entwickelt sich ein Gespräch, innert dessen
hauptsächlich Richard über seine vorherige Unterhaltung und seine Erkenntnisse
reflektiert. Medardon hingegen klingt sich hierbei nur ab und an korrigierend
ein. Er möchte seinem besten Freund ermöglichen, mit seinen Worten seine
eigenen Erkenntnisse zu formulieren. Viel neugieriger aber ist er auf
Annabella, und was sie zu alle dem sagt. Sehr darüber erfreut, dass sie mit
ihren Ansichten ganz auf seiner Wellenlänge zu sein scheint.
Dann aber, pünktlich nach siebenundzwanzig Minuten
entschuldigt sich Richard: »So - nun bitte ich aber höflichst, mich zu
entschuldigen. Ich habe nachher noch eine Verabredung!«
»Oh schade«, erwidert Annabella freundlich, zwinkert
kurz zu Medardon und fügt an: »Spannend!«
Medardon lacht zurück, erhebt sich von seinem Sessel und
begleitet seinen besten Freund zur Türe, ihn dankend verabschiedend.
Zurück in der Küche ist jedoch das Erste, was er
feststellt: »Jetzt nicht wirklich, Wunbert. Runter von meinem Sessel!«
Doch der süße Hund schaut ihn nur kurz mit seinem
flapsigen Blick und angewinkelten Ohren an, gähnt und ringelt sich wieder
gemütlich ein.
Annabella lacht: »Lass ihn doch«, und deutet an,
Medardon möge sich zu ihr auf das Sofa setzen.
Minuten, des sich wohlfühlenden miteinander Schweigens.
Einzig die leise Musik sowie das verträumte Fiepsen von Wunbert füllen den Raum
mit sanften Klängen. Ebenso ruhige Herzschläge, die immer dann ein wenig lauter
zu werden scheinen, wenn sich beide schüchterne Blicke senden.
Gedankenverträumt das Weinglas in der Hand drehend, sagt
Annabella schließlich: »Neue christliche Identität. Im Grunde eine sehr schöne
Umschreibung. Damit kann ich mich identifizieren!«
»Wirklich«, staunt Medardon.
»Ja«, bestätigt Annabella, »Das, worüber Richard vorhin
reflektierte - über euer Gespräch. Weißt du, mir geht es ebenso, wie dir!«
»Was konkret meinst du?«
»Na was wohl«, sagt sie kurz und schenkt ihm ein verschmitztes
Lächeln, fährt dann aber fort: »Nun, das mit den Konfessionen und so. In diesem
Sinne fühle ich mich auch als eine freie Christin, obgleich ich evangelisch
bin! Überdies bestätigt es meinen ersten Eindruck, den ich von ...!« Abrupt
stockt sie.
»Ja?« Medardon schaut neugierig.
»Ach nichts«, schmunzelt sie, blickt ihn an und sagt:
»Ich dachte eben nur an letzte Woche, als wir uns kennenlernten!«
»Ha ha ha«, lacht er, »Ja, das war lustig. Wie geht‘s
denn dem armen Möbelpacker inzwischen?«
»Ich war ihn heute besuchen. Es sagt, voraussichtlich
könne er in zwei Wochen das Krankenhaus wieder verlassen!«
»Und«, erkundigt er sich unsicher, »Ist er noch sauer
auf mich?«
»Nein«, beruhigt sie ihn sogleich, »Mittlerweile weiß er
ja, dass du und dein Hund, ihr keine Schuld daran hattet, dass ihm das Klavier
auf den Fuß geknallt ist!«
»Nun ja, so ganz stimmt das auch wieder nicht«, wendet
Medardon ein, »Schließlich lag es in meiner Verantwortung, dass Wunbert zum
Flur rausgelaufen war und mit seinem Gebell auf der Treppe für Panik unter den
Möbelpackern sorgte!«
»Ha ha ha«, amüsiert sich Annabella, »Ja, dein Hund. Der
ist echt süß. Wie sein Herrchen!«
»He he,
danke! Noch ein
Glas?«, fügt er direkt an, sein Geschmeicheltsein hierdurch überspielend, nach
der Flasche Wein greifend.
»Bitte. Gerne«, erwidert sie.
Erneut senden sich beide schweigende Blicke und fühlen
sich wohl. Annabella schlüpft aus ihren Schuhen, winkelt ihre Beine zu einer
Hocke auf das Sofa, lehnt sich näher an Medardon heran. »Daraus müsste man
etwas machen«, sagt sie schließlich.
»Was meinst du?« Auch er bequemt sich leicht zu ihr hin,
seinen Arm weit und gemütlich über die Sofalehne gestreckt. Tirili!
»Nun - das mit der christlichen Identität. Irgendwie,
als Richard vorhin darüber sprach, stellte ich mir vor, was wäre, wenn all
diese unzähligen Christen tatsächlich zu einem Kreis zusammenkämen. Wenn sie
ihre Konfessionen unbeachtet ließen und mittels ihrer Identität eine neue
Öffentlichkeit des Christentums herstellen würden! Das könnte hier im Land in
der Tat viel bewegen!«
»Klingt interessant«, bestätigt er ihren Gedanken.
»Stellt sich nur die Frage wie!«
»Hm, keine Ahnung«, gibt sie sogleich zurück, »Im Grunde
wäre es nicht an uns, einen derartigen Weg vorzuzeichnen. Täten wir dies, dann
wäre es unser Weg. Nein. Der Weg könnte sich nur dadurch gestalten, wie die
Christen ihn beschreiten. Wege öffnen sich, indem wir sie gehen. Du verstehst?
Ein Schritt führt zum Nächsten - sprich jeder, der hier mitmachen will, bringt
sich mit seinen Fähigkeiten und Potenzialen ein!«
»Einverstanden. Da gebe ich dir recht. Dennoch müsste
irgendwie und irgendwann von irgendwem ein erster Schritt gewagt werden. Wie
sähe der aus?«
»Tja«, überlegt Annabella und zuckt mit den Schultern.
Kurze Momente vergehen, da keiner von beiden etwas wagt. Dann aber dreht sie
sich zur Seite, lehnt sich zurück, streckt die Beine in die Länge und legt sich
mit ihrem Kopf gemütlich auf seinen Schoss. Schaut ihm lachend in die Augen und
flüstert: »Jeder erste Schritt braucht Mut sowie Vertrauen!«
»Ja«, bestätigt er sie mit leiser Stimme.
Schüchtern und noch etwas zaghaft streichelt er ihr
durch ihre weichen, langen Haare. Insgeheim ersinnt er ihren Duft.
»Hm«, macht Annabella.
Sich an die veränderte aber beiderseits erhoffte Situation
allmählich gewöhnend, entspannt sich auch Medardon immer mehr. Lacht mit einem
leisen »Hm hm« in sich hinein.
»Was ist?«, fragt Annabella.
»Nun«, zögert er kurz, »Vorhin sprach ich mit Richard
darüber, dass mir der Heilige Geist immer dabei hilft, die richtigen Worte zu
finden. Nun aber ...!«
»He he he«, lacht sie, »Nun aber?«
»Na ja ... was könnte ich mehr sagen, als mein schwerer
Atem zu verraten mag!«
»Schön«, bestätigt sie ihn und umfasst seine eine Hand
mit der ihren.
Ein paar Atemzüge später sagt sie: »Man müsste die
Menschen beginnen, an die Hand zu nehmen. Ihnen sagen, dass es diesen Kreis
bereits gibt - er nur noch geformt werden muss. Dass es sich lohnt, diesen Mut
aufzubringen. Sich aus Altem zu lösen. Neues zu wagen!«
»Und wie?« Im Grunde hat Medardon die Antwort längst
ersonnen. Mag dennoch hören, ob Annabella ähnliche Ideen hat.
»Nun. Zunächst bestimmte Menschen dazu einladen, diese
Idee von der neuen christlichen Identität, diesen Kreis, für sich zu
betrachten. Ganz gleich, ob sie dann selbst daran teilnehmen wollen oder nicht.
Vielleicht bemühen sie einfach nur ihre eigenen Kontakte, um die Idee weiter zu
verbreiten. Schneeballprinzip! Du verstehst? Wenn sich dann die Leute beginnen
bei dir zu melden, dann sind es natürlich die Reaktionen, die entscheidend
sind!«
»Reaktion, richtig. Da bin ich ganz bei dir«, bekräftigt
er ihren vorherigen Gedankengang und atmet schwerer. Ihren Händedruck, den sie
ihm gibt, erwidernd, hernach sie sanft über die Finger streichelnd, gleich
weiterhin durch ihr Haar.
»Medardon?«
»Hm hm!«
»Wenn sich dir die Gelegenheit böte. Wolltest du es
tun?«
»Sofort!«
»Warum?«
»In dem Augenblick, da die Welt um dich herum
entschwindet. Da nur das eine vor dir steht - die Wahrheit deines Herzens. Da fragst
du nicht mehr nach dem Warum. Du weißt, sie ist da. Das alleine zählt - es ist
richtig und so ist es gut!«
Eine Weile sinnt sie seinen letzten Worten nach. Mit
zaghafter Stimme fragt sie dann: »Medardon?«
»Hm hm!«
»Meinst du damit meinen Gedanken oder mich?«
»Wie könnte ich hierin unterscheiden? Würde ich sagen,
deinen Gedanken, so meinte ich ebengleich auch dich. Würde ich sagen, dich, so
umschließt es deine Gedanken. Dennoch mag ich es dir sagen!«
Sich einander lange in die Augen schauend, löst sie sich
allmählich, erhebt sich neben ihn. Sich ihm nähernd, haucht sie ihm zart
entgegen, bittend: »Dann sage mir, wovon ich träumte, seit ich dich traf!«
Sie sanft umfangend, in die Arme nehmend, sich nah an
ihre Wange lehnend, gesteht er ihr: »Ich habe auf dich gewartet. Nun bin ich
da, gleich du bei mir. Nacht um Nacht flog ich die Flure hinauf zu dir. Lehnte
mich an dein schlafend Ohr, flüsterte dich einladend her zu mir. Nun sage du es
mir, magst du in meinen Armen bleiben?«
»Immer dar - so du mich nun voll umfängst, mich küssen
mögest gleich ich dich ersehnte!«
»Pschschscht«, macht Medardon und legt seinen Finger
zärtlich auf ihren lieblichen Mund. Nähert sich mit den Seinen ihren Wangen
zart, liebevoll seine Berührungen, gesteht mit zittriger leiser Stimme: »Du
hast dich in mich verliebt!«
»Gleich du dich in mich verliebt«, haucht sie ihm zu,
hernach wenige Tränen zaghaft ihre Augen umschleiern.
Sich nahe voneinander lösend, lachen sie sich an und
erschauen sich. Bis sie einander nicht mehr widerstehen mögen, so sie sich
finden in ihrem ersten ersehnten Kuss.
Nach vielen ungezählten Küssen, sich einander in den
Armen wiegend und ihrer pochenden Herzen erliegend, sinken sie liebevoll
umschlungen hernieder. Leise vergnügt lachend sagt Annabella: »Du bist wundersam,
Medardon. Weist du das?«
»Wundersam?«
»Ja - weil ich darum wusste, da ich dich sah, noch ehe
du auch nur ein Wort zu mir sprachst!«
»Ich weiß. He he!«
»Hey ey - nicht so überheblich«, lacht sie und boxt ihm
leicht auf die Schulter.
»Nein - aber ich kann dir sagen, warum!«
»So, so. Ich höre!«
Mit weit ausgestrecktem Arm hangelt er nach seinem
Handy, schaltet in den Fotomodus und macht von sich und Annabella ein Selfi.
Hernach zeigt er es ihr und sagt: »Schau. Darum!«
»Sag ich doch. Wundersam«, strahlt sie ihn an und gibt
ihm einen langen Kuss. Hernach überlegt sie: »Also gut. Wir machen es, ja?«
»Was?«
»Nun, das mit der neuen christlichen Identität. Ja?«
»Wie meinst du das?«
»Na wie wohl? Wir verfassen einen Artikel hierüber,
veröffentlichen ihn und schauen, was passiert. Wenn der Jesus das für gut
befindet, dann wird da sicher was bei herumkommen! Mir jedenfalls würde es
riesigen Spaß machen. Und dir?«
»Immer«, freut er sich.
»Wollen wir es der Welt sagen?«, fragt Annabella.
»Sagen? Nein wir schreien es laut hinaus!«
»Und wie?«
Sich lachend aus ihrer Umarmung lösend, steht er auf und
begibt sich zum Fenster, dieses öffnend. Nimmt einen tiefen Atemzug und ruft
laut hinaus: »Medardon hat sich verliebt in die zauberhafte Annabella! Welt
wach auf, denn auch dein Hoffen, Bangen, Zagen ist erhört!«
Sogleich stellt sie sich an seine Seite, macht es ihm
gleich: »Welt höre zu. Annabella hat sich verliebt in den wundersamen Medardon.
Und gleich wie wir einander uns unsre Liebe gestehen, so sind wir da, dich oh
Welt in unsre Arme zu schließen!«
Beide lachen laut und vergnügt in die nächtliche Welt
hinaus. Und dies umso mehr, als aus dem unteren Stockwerk eine Stimme ertönt:
»Schnauze da oben. Ruhe verdammt noch mal! Ich will weiter schlafen!«
Lachend schließen die zwei frisch Verliebten das
Fenster. In der Mitte des Kerzenlicht flackernden Raumes stehend, nehmen sie
sich in die Arme, so nahe einander ihre Gesichter. Mit leicht tränenerstickter
Stimme gesteht Annabella: »Medardon. Ich mag dich lieben!«
»Dann tue es. Denn ich mag dich lieben ebenso!
Teil 2: Gottes Werkzeug
Keine fünf Stunden schlaf sind Annabella und Medardon
nach ihrem ersten Abend vergönnt, da sie von einem wilden Türgeläut geweckt
werden. Schwerlich wach werdend, da sich die zwei frisch Verliebten die Nacht
zuvor wie wild und unersättlich lange liebten.
»Puh, wer ist denn das?«, schlurft Medardon durch den
Gang, sich den Morgenmantel zubindend und die Haare glättend. Kaum, da er den
Türöffner betätigt, hört er eilende und stampfende Schritte das hölzerne
Treppenhaus hinaufpoltern.
Oben angekommen, packt ihn Richard an den Schultern,
schüttelt ihn und jubelt förmlich: »Hammer, Hammer. Du glaubst ja nicht, was
mir passiert ist. Hammer, Hammer. Waaaaaahnsinn!«
»Richard. Guten Morgen. Komme erst mal rein. Ja? Bin
eben erst aufgestanden!«
»Morgen ist gut«, staunt Richard, »Es ist nach zwölf
Uhr!«
Obgleich Richard sogleich loslegen will, Medardon seine
Hammergeschichte zu erzählen, bittet ihn sein bester Freund: »Richard, bitte.
Du weißt, dass ich ein Morgenmuffel bin. Erst mal einen Kaffee zum Wach werden.
Okay?«
»Wenn du meinst. Aber du glaubst ja nicht, was mir
vorhin ...! Also da war ...!«
»RICHARD, bitte!«
»Gut«, räumt er schließlich ein und setzt sich leicht
zappelnd auf das Küchensofa.
Während der morgendliche Drank durch die Maschine
gluckert, der Duft von frischem Kaffee den Raum durchzieht und Medardon sich im
Bad frisch macht, ist es Wunbert, der durch seine ruhige Art Richard in seiner
Euphorie ein wenig runterkocht.
»Guten Morgen, Richard«, begrüßt ihn nun auch Annabella.
»Ach wie jetzt«, staunt er und stellt freudig fest: »Du
und Medardon?«
»Hm hm«, bestätigt sie mit einem kurzen lachenden
Nicken, direkt nach der Kaffeekanne hangelnd.
»Ja Glückwunsch. Da freue ich mich für euch!«
Den ersten Schluck genießend, erwidert sie: »Danke. Lieb
von dir. Wo ist mein Liebster?«
»Im Bad!«
»Ah«, macht sie kurz und setzt sich Richard gegenüber in
den gemütlichen Sessel und träumt in den Tag hinein.
Richard ist seine Euphorie durchaus weiterhin anzusehen.
Dennoch zügelt er sich noch, bis sein bester Freund offene Ohren für ihn hat.
Ein wenig später kommt nun auch Medardon wieder in die
Küche.
»Guten Morgen, meine Bella«, grüßt er seine Freundin,
ihr einen liebevollen Kuss gebend.
»Hm - so schön«, strahlt sie ihn verliebt an.
Dann endlich wendet er sich Richard zu, sich einen
Kaffee einschenkend: »Also, mein Bester. Ich höre!«
‚Endlich‘, scheint sich Richard zu denken und legt
sogleich an: »Ihr glaubt es nicht. Ihr werdet es nicht glauben!«
»Was denn?«, lacht Annabella.
»Gestern, ja? Ich also nach Hause und nun ja. Ich dachte
über all das nach, worüber wir gestern sprachen. Und in der Tat sprach ich mit
Jesus. Kannst du dir das vorstellen, Medardon? Mit Jesus - ICH. Ha
ha ha. So wie du es
mir empfohlen hast. Nun. Danach fühlte ich mich einfach nur gut und ging ins
Bett!«
»Aha«, wundert sich Annabella und schaut ihren Medardon
kurz verschmitzt an. »Du sagtest doch, du hättest noch eine Verabredung!«
»Ja«, bestätigt Richard. »Kannst dir ja denken weshalb.
Aber tatsächlich. Genau genommen hatte ich eine Verabredung. Halt mit Jesus. Du
verstehst? HA HA HA!«
»Nun gut«, unterbricht ihn Medardon, »Und nun? Was ist
geschehen?«
»Du willst es nicht glauben. Du wirst es einfach nicht
glauben wollen. Hammer«, jubelt Richard aufs Neue und nimmt drei große Schlucke
Kaffee. »Also. Heute Morgen, ja? ...«, will er sogleich beginnen, seine
Geschichte zu erzählen, als es erneut an der Türe klingelt.
»Richard, warte kurz«, bittet ihn Medardon, derweil er
aufsteht und zur Türe geht. Sein Wunbert freudig hinter ihm herzappelnd, wohl
wissend, dass ihn die kleine Elisa zum Gassigehen abholen kommt.
Dann aber endlich, als Medardon seinen Hund zu treuen
Händen abgegeben hat und sich wieder zu seiner Bella gesellt, bricht es aus
Richard nur so hervor.
»Du hast mir ja gestern empfohlen, ich solle mit Jesus
reden. Dass er sich mir zeigen möge. Nun, dass tat ich dann auch. Und alles war
gut so. Auch sagtest du, ich solle dann in den folgenden Tagen einfach ehrlich
sein und darauf achten, was geschieht. Richtig?«
»Richtig«, bestätigt Medardon ruhig.
Dann aber bricht es aus Richard dreifach hervor: »ABER
SAG MAL SPINNST DU? HÄTTEST DU MICH NICHT WENIGSTENS VORWARNEN KÖNNEN?«
»Bitte«, staunt Medardon erschrocken und irritiert.
Ebenso Annabella, die leicht in sich zusammenzuckt und
sich beinahe an ihrem Kaffee verschluckt hätte.
»JA. JA«, fährt Richard fort. »Ich heute Morgen wie
immer um sechs raus aus dem Bett und Joggen. JA? Und ohne zu wissen weshalb,
bin ich heute nicht durch den Stadtpark gelaufen - wie sonst IMMER. Irgendwie
hatte ich das Gefühl, es sei am Fluss SCHÖNER. Obgleich ich es überhaupt nicht
mag, dort zu joggen. EGAL. Ich also runter zur Promenade. Zum Glück ist heute
Sonntag und alles menschenleer, dachte ich mir noch, nachdem ich die ersten
Meter gelaufen bin. Dann aber, auf einmal oberhalb von mir kam von der Straße
ein Lärm - KRASS. Bleche krachten aufeinander, schepper und KNALL. Ich zuckte
zusammen, dachte noch an einen Verkehrsunfall, schaute hoch, da durchbrach ein
Auto mit aller Wucht das Geländer und brauste in hohem Bogen über mich hinweg
und landete im Fluss. PLATSCH. Mein Herz pumpte, kannst du dir ja denken. ABER
DANN. ABER DANN. Hilfe rief da eine Frau aus dem Auto. Und Kinder, die weinten.
Ich - Sekundenfilm - was soll ich machen? Schaute mich hektisch um. Sonst
niemand zu sehen. Mist dachte ich mir. Warum ich? Ich kann doch nicht
schwimmen. Scheiße!«
»Bitte«, erstaunt sich Medardon, »Du kannst nicht
schwimmen?«
»JA WIE AUCH. Ist jetzt aber egal. HÖR ZU. Dann hörte
ich wieder - HILFE und das Weinen der Kinder. Ich also, ohne weiter
nachzudenken, springe in das Wasser. Dachte nicht mehr nach. Das Auto war kaum
mehr zu sehen. Wie ich das geschafft habe, KEINE AHNUNG. Aber irgendwie schwamm
ich, tauchte, zwängte mich durch das Fenster. Griff als Erstes zwei der Kinder.
Schwamm mit ihnen zum UFER. Hob sie mit einem Schwung auf den Gehsteig. ZURÜCK.
Das Auto war nicht mehr zu sehen. Tauchte abermals, rein ins Auto. Das nächste
Kind. RAUS. Ans Ufer. Und noch einmal zurück. Die Frau - eingeklemmt, ich sie
befreit - KEINE AHNUNG WIE - ich sie mir geschnappt. Die war nicht mehr bei
Bewusstsein. Ich also auch mit ihr raus, schwamm mit ihr ans UFER. Zerrte sie auf
den Gehsteig. Mist dachte ich kurz. Wiederbelebung. WIE GEHT DENN DAS? Aber
auch hier, einfach gemacht, ohne nachzudenken. Mund zu Mund Beatmung.
Herzmassage. Und dann - die Frau kam wieder zurück. Mittlerweile waren noch
andere Leute hinzugekommen, die sich ebenso um die Kinder kümmerten. Die armen
Kleinen. Geheult haben die, der Schock stand ihnen noch ins Gesicht
geschrieben. Dann TATÜTATA, kam der Krankenwagen. Ich wie paralysiert sitze da
auf der Promenade. Nun machte sich auch bei mir der Schock bemerkbar. Kreislauf
- rauf, runter, rauf runter. Und dann - BUMS - brach ich zusammen, wurde
ohnmächtig. Patsch und weg. Wachte auf - Piep, piep, piep, hörte ich zunächst.
Ah, Krankenhaus, dachte ich mir. Gut. Mit zappeligen Beinen kroch ich aus dem
Bett, eilte hinaus auf den Flur und sprach sogleich die erste Schwester an. Ich
wollte natürlich wissen, wie es den Kindern und der Frau geht. Sie deutete mir
den Weg. Als ich das Zimmer betrat, sah ich die Frau und ihre drei Kinder dort
in den Betten liegen. Und PUH, zum Glück ging es ihnen allen gut. Bei ihr am
Bett saß ihr Mann. Nun, jedenfalls zeigten sie sich alle total glücklich und
waren mir dankbar für meine Hilfe. Dass ich sie alle gerettet habe. Als ich
mich dann verabschieden wollte, bat mich die Frau, kurz noch zu bleiben. Sie
müsse mir dringend etwas sagen. Ich also setze mich zu ihr, da sprach sie: Als
ich noch im Auto eingeklemmt war und spürte, wie ich zu ertrinken drohte,
verlor ich das Bewusstsein. Dennoch konnte ich all das sehen, was geschehen ist.
Ich sah, wie sie meine Kinder retteten. Ja, auch wie sie mich gerettet haben.
Aber ich sah nicht nur sie. Sie schien die ganze Zeit so was wie ein Licht
begleitet und getragen zu haben. Ich dachte darüber auch nicht weiter nach. Bei
allen anderen Dingen, ja auch bei meinen Kindern, da konnte ich dieses Licht
nicht sehen. Nur bei ihnen. Es schien sie regelrecht durch das Wasser getragen
zu haben. Und dann, als ich auf der Promenade lag und nicht mehr atmete. Auch
da sah ich, als hätte dieses Licht ihre Arme gesteuert, so sie mich
wiederbeleben konnten. Dann kam ich zu mir und sah sie über mir. Da erkannt ich
sie und wusste, dass sie es waren, der uns alle gerettet hat. Ich bin ihnen so
dankbar.
Ich saß da und staunte über all das, was sie mir
erzählte. Könnt ihr euch ja denken. Und JA. Als ich auf dem Weg nach Hause war,
erkannte ich es. Das alles - ich kann es nicht leugnen. Ich bin zu der
Überzeugung gelangt, dass ich hier in der Tat Jesus begegnet bin und ihm ein
Werkzeug war. Wenn es das ist, was mit Gottes Werkzeug gemeint ist, dann ist
das einfach nur genial und der absolute HAMMER. HAMMER. Versteht ihr.
WAHNSINN!«
Sowohl Annabella als auch Medardon sitzen einfach nur in
dem großen Sessel beisammen, sie auf seinem Schoss, halten wie erstarrt ihre Kaffeetassen
in den Händen und staunen mit großen Augen und offenem Mund.
Dann endlich löst sich Medardon und sagt: »Ähm -
Richard. Aber es tut mir wirklich leid!«
»WAS? Jetzt sag bitte nicht, ich würde mir das alles nur
einbilden!«
»Nein, nein«,
beruhigt ihn Medardon sogleich und lacht, »Was ich meine ist - als ich dir
gestern den Vorschlag gemacht habe mit Jesus zu reden, da habe ich nicht damit
gerechnet, dass dir so etwas Gewaltiges passieren könnte. Aber ja, ich stimme
dir zu. Du hattest deine erste Begegnung mit Jesus. Und was für eine. Tja, die
Wege des Herrn sind unergründlich. Glückwunsch. Ich freue mich für dich!«
»Ja«, bestätigt Annabella, »Sehe ich genauso. Und um
ehrlich zu sein. Ich habe ja schon so einige Geschichten gehört. Darüber, wie
Menschen ihre erste Begegnung mit Jesus hatten. Aber ja, deine Geschichte ist
sehr beeindruckend!«
»Danke«, atmet Richard erleichtert auf und will wissen,
»Und nun? Was mache ich jetzt? Muss ich Jesus jetzt irgendwas versprechen?«
»Ha ha ha
haaa«, lacht Medardon. Ebenso Annabella.
»Nein, keine Sorge, mein Freund«, versichert ihm
Medardon, »Du hast dein Versprechen schon längst erfüllt. Dadurch, dass du
erkannt hast, dass sich Jesus in der Tat in deinem Leben bemerkbar gemacht
hat!«
»Aha. Gut. Wäre andernfalls auch in Ordnung gewesen!«
»Durchaus«, sagt Medardon und fragt: »Und nun?«
»Ich will alles wissen, meine Freunde«, bittet Richard
ihn ebenso Annabella. »Erzählt mir alles, was ihr wisst!«
»Worüber?«, hakt Annabella nach.
»Über Jesus. Ich will alles wissen!«
»Hm«, denkt sich Medardon, steht auf und geht in sein
Wohnzimmer. Kurze Zeit später kommt er zurück und reicht Richard eine Bibel.
»Hier, mein Freund. Die solltest du erst einmal lesen.
Denn das, was du wissen willst, wirst du hierin erfahren. Ebenso die Fragen,
die du dann stellen willst!«
»Wie jetzt«, wundert sich Richard, »Den ganzen fetten
Schinken. Da sitze ich ja wenigsten drei Wochen dran!«
»Und?«, lacht Annabella. »Was sind drei Wochen, gemessen
an der Ewigkeit?«
»Stimmt«, entgegnet Richard und fragt: »Und die DVD?«
»Ben Hur mit Charlton Heston«, antwortet Medardon, »Einer der besten Filme aller Zeiten!«
»Puh«, macht Richard, »Charlton Heston - keine gute Referenz!«
»Blende ihn aus, es geht um den Film, worin er durchaus brilliert!«
»Nun gut«, gibt Richard zurück, derweil er flüchtig die Inhaltsbeschreibung studiert.
»Ja«, bestätigt auch Annabella, »Der Kampf des Herzens um Vergebung im Lichte der Lehre von Jesus. Hervorragend inszeniert, fotografiert und die Musik - imposant traumhaft!«
»Okay«, bedankt sich Richard, packt die Bibel sowie den Film in seine Tasche und wirbelt, so schnell und stürmisch, wie er gekommen war, aus der Wohnung wieder heraus.
Wieder für sich alleine und die plötzliche Stille
genießend, himmeln sich Annabella und Medardon eine lange Zeit an.
Ihr sanft durch ihre Haare streichelnd, fragt er sie:
»Woran denkst du?«
»Daran«, antwortet sie und gibt ihm einen langen Kuss.
Hernach fragt sie: »Wie alt bist du eigentlich?«
»Hm«, lächelt er, »Was denkst du?«
Ihn mit schrägem Blick musternd, antwortet sie: »So um
die achtunddreißig?
»Jupp«, macht er und lacht geschmeichelt.
»Na los. Liege ich richtig?«, will sie endlich wissen.
Er aber entgegnet: »Und du, meine Schöne?«
»Verrate ich dir erst, wenn du es sagst!«
»Okay«, stellt er fest und trinkt seinen Kaffee.
Schweigt und lacht.
»Nun gut«, gibt sie nach und fragt daher: »Was machst du
beruflich?«
»Schriftsteller!«
»Ach«, staunt sie, »Und?«
»Was und?«
»Na, was schreibst du so und was hast du veröffentlicht?«
»Romane und - ähm, nein - bin noch dabei, meine Bücher
zu bewerben!«
»Aha! Darf ich sie lesen?«
»Das willst du nicht wirklich«, lacht er, steht auf und
geht in sein Arbeitszimmer. Mit drei richtig dicken Mappen in seinen Händen
kommt er zurück und legt sie vor ihr auf den Tisch. »Die Manuskripte meiner
ersten Bücher!«
»Uff«, macht Annabella, die erste Mappe durchblätternd
und staunt, »Das zeugt von langen und arbeitsreichen Nächten!«
»Aber hallo«,
bestätigt er, will dann aber wissen: »Und du? Was bist du von Beruf?«
Sie aber weicht aus und fragt: »Und womit verdienst du
dein Geld?«
Auf die Collagen an der Küchenwand deutend, sagt er:
»Fotografieren, Dokumentationen anfertigen, Ghostwriter und so ein Kram. Aber
auf - was machst du?«
»Verschlafen«, lacht sie ihm in die Augen.
»Wie. Was da heißt?«
»Jugendpfarrerin und Seelsorge!«
»Ach«, staunt Medardon, »Beneidenswert! Und wieso
verschlafen?«
»Naja«, sagt sie und zuckt mit den Schultern, »Heute
Morgen wäre mein erster Arbeitstag gewesen. Nun brauche ich eine wirklich gute
Erklärung!«
»Wie wäre es mit der Wahrheit!«
»Stimmt!«
Weiterhin den Morgen ebengleich einander genießend,
überlegt Annabella schließlich: »Hm - ein Werkzeug Gottes!«
»Ja, der Richard«, lacht Medardon.
»Ha ha ha,
ja. Aber ich meine
nicht ihn. Vielmehr uns ... ich dachte an die Sache von gestern. Das mit der
neuen christlichen Identität. Ich finde den Gedanken prima. Wenn sich in der
Tat so ein Kreis bilden ließe, hierdurch in der Öffentlichkeit ein reales Bild
vom gelebten Christentum in unserem Land geboten wäre - es immer mehr präsent
wäre - alltäglich. Eben weil ich von Berufswegen weiß, welch wunderbare Arbeit
hier überall geleistet wird, regt es mich auf, wenn ich sehe, wie das gelebte Christentum
in aller Öffentlichkeit feilgeboten und mit Füßen getreten wird. Die haben doch
alle null Ahnung von dem, was für eine Kraft in unserem Glauben steckt!«
»Da gebe ich dir recht, meine Liebe. Vorschläge? Denn
offen gestanden wüsste ich nicht, ob das umsetzbar wäre!«
Kurz denkt sie über seine Frage nach. Dann aber sagt
sie: »Es geht nicht um die Frage, ob es machbar ist, als vielmehr darum, ob es
gemacht wird!«
»Gut - einverstanden. Machen. Aber einfach so? Wie stellst du dir das vor?«
»Naja - wie ich es gestern Abend
bereits sagte. Der Weg kann nicht vorgegeben werden. Er ließe sich nur dadurch
gestalten, in dem er gegangen wird. Von denjenigen, die sich hierfür begeistern
ließen!«
»Da stimme ich dir zu«, sagt er, merkt aber an, »Du musst jedoch eines hierbei bedenken. So was funktioniert nur, wenn es weder auf Schwärmerei noch auf purem Idealismus basiert. Entweder ganz oder gar nicht. Und das hieße organisiert und Vollzeit. Die Pioniere, die so ein Projekt an den Start brächten, müssten dafür regulär entlohnt werden. Zum Start bräuchte es da wenigstens vier bis fünf hauptberufliche Mitarbeiter. Anders ließe es sich nicht machen. Das hieße, man bräuchte zunächst einen entsprechenden Rahmen. Und darüber hinaus eine Vielzahl an freiwilligen Helfern!«
»Eine Stiftung oder einen
Verein«, fällt sie ihm sogleich ins Wort, »Und die Helfer sind die
Vereinsmitglieder. Ist doch einfach!«
»Aha«, überlegt er, »Kennst du dich mit einer Vereinsgründung und Satzungen aus?«
»Ich? Nein! Du?«
»Nein. Zudem - es bräuchte Logistik, Räumlichkeiten. Aber viel wichtiger als dies, ein Thesenpapier, so man sich auf eine gemeinsame Richtlinie einigt. Nicht, dass später die Konfessionen mit ihren unterschiedlichen Auffassungen aufeinanderprallen. Andernfalls wäre alles, so wie zuvor!«
»Ja«, stimmt sie ihm zu, »Aber
es dürften nur wenige Thesen sein. Viele Thesen würden einen zu großen
Spielraum für alles Mögliche bedeuten!«
»Hm«, sinnt Medardon nach, »Eine These würde reichen!«
»Aha. Die da wäre?«
»Naja, es geht um den Glauben in Gemeinschaft mit Jesus Christus. Schluss, Punkt, Aus!«
»Einverstanden. Und wir
bräuchten einen aussagekräftigen Namen«, stellt Annabella fest.
»NCI - Neue Christliche Identität!«
»Klingt gut«, bestätigt sie.
»Tja - dann stünde nur noch die Frage in dem Raum, wie und wann sich so ein Projekt tatsächlich umsetzen ließe«, überlegt er.
»Nun - ganz einfach. Erstens
aufschreiben, zweitens Veröffentlichen, drittens Leute kontaktieren, viertens
Rückmeldungen auswerten. Mehr müssten wir zunächst nicht machen!«
»Aha. Und dann?«, will er wissen.
»Nun, das hinge ganz davon ab,
wie das Feedback ausfällt. Wenn wir fünfzig Mails erhalten, von denen alle
lediglich schreiben: Finde ich toll und viel Glück! Naja - dann ließe sich aus
der Idee kein Projekt zimmern. Würde aber eine Mehrzahl der Leute so was in der
Art schreiben wie: Ich mache mit - ich kann dieses und jenes - habe Kontakte -
unterstütze mit so und so viel Euros - ich weiß, wie man an Fördergelder kommt
- ich kenne mich aus bei Stiftungsgründungen - stelle Räumlichkeiten zur
Verfügung - habe schon viele meiner Freunde für euere Projektidee begeistern
können - und so weiter. Dann könnten wir tatsächlich zur ersten Projektphase
übergehen!«
»Das klingt gut«, bestätigt er ihren Gedankengang, »Dadurch würde sich das ergeben, wovon du zuvor sprachst. Ein gemeinschaftlicher Weg. Nicht unserer!«
»Und?«, fragt sie neugierig,
»Machen wir es? Was haben wir zu verlieren, außer ein paar Stunden Arbeit?«
»Also ich bin mit dabei. Und du?«, sagt er.
»Aber ja doch«, lacht sie ihn an und springt von seinem
Schoss auf, ihm ihre Hand reichend. »Auf hopp. Dann lass es uns zu Papier
bringen!«
»Wie? Gleich jetzt?«, wundert er sich.
»Wir sollten damit anfangen, solange wir dazu in
Stimmung sind!«
»He he«, lacht er, »Wenn du wüsstest, wozu ich wirklich
in Stimmung bin!«
Sich zu ihm herunterbeugend, lacht sie ihn schelmisch
an, gibt ihm einen sanften Kuss und schmunzelt: »Mein Gotteswerkzeug du. Aber
ja! Wir haben Zeit!« Vergnügt nimmt sie ihn bei den Händen, zieht ihn zu sich
hinauf und hernach hinter sich her. Eilenden Schrittes ins - nun denn!
Doch dann auf dem Weg, oh je - das Telefon,
Anrufbeantworter, Richard: »JUNGE, GEH RAN. SOFORT. DAS GIBT ES NICHT.
MEDARDON. HAAAAALOOOO!«
Lachend nimmt Medardon das Gespräch an, seine Annabella
im Arm haltend: »Richard, was ist?«
»Hör mal. Ich bin hier gerade am Lesen.
Schöpfungsbericht! Das alles hier hätte Gott NIEMALS in nur sechs Tagen
erschaffen können. Was ist das für ein Unfug?«
»Richard«, belehrt ihn sein Freund, »Lese erst einmal
weiter. Dann erfährst du nämlich, dass ein Tag bei Gott gleich tausend Jahre
sind!«
»Ach«, staunt Richard, »Also sechstausend Jahre. Das
kommt hin. Dennoch - wie ist das dann mit der Evolutionstheorie!«
»Eben - du sagst es doch selbst«, erwidert Medardon.
»Wie? Was?«
»Na. Wie nennt es sich? Evolutions...?«
»AAAAH -
THEORIE!«
»Richtig. Ergo?«, fragt Medardon.
»Hm - dann gibt es also doch nur die Schöpfung?«, will
Richard wissen.
»Keine Ahnung«, lacht Medardon und stellt fragend fest:
»Aber vielleicht handelt es sich ja um eine designte Evolution?«
»Ahhh - jetzt«, denkt sich Richard, hält kurz den Atem
an, dann aber: »Und wie ist es mit dem hier? Ich meine - der Kain war, nachdem
er den Abel erschlagen hat - nun jedenfalls gab es gemäß Schöpfungsbericht nur
ihn, Adam und Eva. Wie also sind all die anderen Menschen entstanden, zu denen
er dann gegangen ist. Wo sind die auf einmal alle hergekommen?«
»Richard«, appelliert Medardon an dessen Verstand,
»Betrachte derartige Geschichten sinnbildlich. Einverstanden? Über alles andere
unterhalten wir uns dann, wenn du wirklich existenzielle Fragen aus der Bibel
ableitest!«
»Aaaaaaaaah«, macht Richard und legt sogleich auf.
Annabella, die das Gespräch über den Lautsprecher
mitverfolgen konnte, stellt lachend fest: »Ja, ja. Wenn ihr nicht wieder Kinder
werdet!«
»Richtig«, lacht auch Medardon.
»Und nun«, sagt Annabella, fasst seinen Liebsten bei der Hand und zieht ihn vergnüglich hinter sich her.
»Puh«, strahlt Annabella und schaut vergnüglich aus dem Schlafzimmerfenster, hinaus in den vernebelten dämmernden Abend. »Hm - wie wäre es mit einer Pizza?«, überlegt sie schließlich.
»Prima«, lacht Medardon, »Um die Ecke ist ein gemütliches Restaurant. Magst du?«
»Au ja!«
Nach Stunden des gemütlichen Beieinanderseins, Anhimmelns und verliebte Worte Tauschens, kehren die zwei Verliebten zurück in ihr Heim. Hier einander in ihre Arme sinkend, gleich einen wohligen Schlaf. Und oh, welch eine Magie, so träumen sie beide ein und denselben, wunderbaren Traum.
Teil 3: Die Stiftung NCI
»Nein - ich glaube so klappt das nicht. Am
Vierundzwanzigsten haben wir nicht mehr einen Termin frei!«
»Und am Fünfundzwanzigsten? Schau doch mal. Hier, ab
fünfzehn Uhr ist alles offen«, sagt Annabella und hält ihm den Kalender erneut
vor seine Augen.
»Ja, aber da kann der Professor nicht!« Medardon kratzt
sich am Kopf. Seine müden Augen zeugen von einer langen Arbeitsnacht. Mit
unscharfem Blick studiert er ein weiteres Mal die noch freien Termine des
Monats.
So ein Ärger, denkt er sich. Dem Professor Luxenbauer
müssen wir doch irgendwie das Studio einbuchen können. Seine interaktive
Vortragsreihe ist gefragt wie kaum eine andere. Und zudem äußerst belebend.
Kurz, nachdem die Stiftung ‚Neue Christliche Identität‘
- kurz NCI - ihre Arbeit aufgenommen hat, überschlugen sich die Ereignisse. Die
großzügige Stiftungseinlage von einem anonymen Spender gereichte aus, so die
Arbeit für das erste Jahr finanziell abgedeckt ist. Darüber hinaus konnten
Räumlichkeiten angemietet werden, so für die vielfältigsten Aufgaben eine
Ausgangsbasis zur Verfügung steht. Vor allem ein kleines Studio, in dem eigene
Dokumentationen und Reportagen erstellt, Interviewproduktionen sowie Vorträge
aufgezeichnet und auch direkt ins Internet übertragen werden können.
Eine Vielzahl von Mitgliedern trägt Grund ihres eigenen
Einsatzes zur Gestaltung und Belebung der Stiftungsarbeit bei. Deren
Videomitschnitte von Veranstaltungen, Vorträgen, Freizeiten und Projekte werden
über das Internetportal der NCI publiziert sowie beworben. Querverbindungen zu
einer Vielzahl von Onlineredaktionen, Zeitungen und Journalisten helfen dabei,
ebenfalls über die NCI-Website interessante und eindrucksvolle Artikel aus
aller Welt geballt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch die
Kooperation mit den unterschiedlichsten christlichen Organisationen und
Initiativen im Land sowie darüber hinaus trägt erstaunliche Früchte. Gleich die
unzähligen Kircheneintritte landesweit.
Keine drei Monate waren vergangen, und die NCI war Grund
ihres Senkrechtstartes bereits in aller Munde.
Anfangs waren es vereinzelte Personen, die der Stiftung
als Mitglied beigetreten waren. Dann aber, als immer mehr Christen sich mit der
NCI verbanden, traten die ersten Kirchengemeinden der Stiftung bei. In den
Folgewochen zählte die Stiftung bereits über zweihundert angeschlossene
Gemeinden - römisch- sowie altkatholisch, evangelisch, freikirchlich, orthodox,
anglekanisch, adventistisch, Zeugen Jehovas. Und der Zustrom reißt nicht ab.
Sie alle erkennen den für sie hierin liegenden Vorteil, so die Christen in ihrer
Gesamtheit in der Öffentlichkeit auf dieser Ebene mit einer Stimme sprechen.
Obgleich anfangs Befürchtungen im Raume standen, es könne unter den vielen
Konfessionen eine Rangelei geben, blieben diese jedoch aus. Hierin sollte sich
bereits beweisen, dass das Konzept der Stiftung nebst Satzung und Thesenpapier
seine Bestätigung erfährt.
Eben diese ‚Eine Stimme‘ schafft sich nun auch in der
öffentlichen Wahrnehmung ihr Gehör. Egal wann und wo im Fernsehen zu
religiösen, kulturellen, gesellschaftlichen aber auch politischen Themen
Diskussionsrunden veranstaltet werden, Vertreter der NCI sind immer mit dabei.
Die lobenden Worte über dieses neue Christentum in Deutschland durchziehen dann
in den darauf folgenden Tagen sowohl den papiernen sowie digitalen Blätterwald.
Derzeit ist die NCI mit der ARD und dem ZDF im Gespräch.
Hier geht es um eine Konzeptentwicklung für eine Sendung zu besten Sendezeiten,
in der zweimal täglich, morgens und abends, über die bereichernde Arbeit und
das Leben der Christen in Deutschland berichtet wird. Der Sendestart wurde auf
den ersten Mai dieses Jahres gelegt.
Grund dieser Entwicklung erhalten neben der NCI all die
unzähligen größeren und kleineren christlichen Organisationen und Initiativen
im Land größte Aufmerksamkeit, Unterstützung sowie Zulauf.
Der christlichen Initiative aus der Mitte heraus spendet
sogar Papst Franziskus seinen begeisterten Beifall. Für die kommende Woche hat
er seinen Besuch angekündigt, um diese »gesegnete Arbeit im Weinberg des Herrn«
persönlich in Augenschein zu nehmen. Ebenso kündigte der Papst an, in seinem
Handgepäck einen Check mit einigen Nullen am Ende für die Stiftungsarbeit
mitzubringen.
In seinen Planungen vertieft, wird Medardon aus diesen
herausgerissen, da Annabella ihm zuruft: »Medardon! Telefon für dich!«
»Wer ist dran?«
»Ein Herr Schnuppel«, sagt sie und lacht leise in sich
hinein.
»Was will er?«
»Na auf. Komm und höre es dir an, was er zu sagen hat!«
Medardon greift nach dem Funkhörer: »NCI, Medardon.
Einen schönen guten Tag. Was darf ich für sie tun?«
Vom anderen Ende der Leitung ertönt eine freundliche,
jung klingende Stimme: »Ich grüße sie, Herr Medardon. Gunnar Schnuppel hier. Ich
habe von ihrer Arbeit erfahren und würde ihnen gerne meine Hilfe anbieten!«
»Immer gerne. Woran haben sie da gedacht?«
»Nun. Ich habe die Internetseite ihrer Stiftung besucht
und hier die Einträge durchgelesen, wie ein jeder einen Beitrag zu ihrer Arbeit
leisten kann!«
»Zu unserer aller Arbeit«, erlaubt sich Medardon ihn zu
unterbrechen.
»Durchaus, wie recht sie haben. Nun - da wir aus
familiären Gründen dieses Jahr nicht in Urlaub fahren werden, haben meine Frau
und ich uns darauf verständigt, unser Urlaubsgeld für den dringend benötigten
Flyerdruck und die Werbeaktion zu dem Projekt zur Verfügung zu stellen! Ich
spreche hier über das von ihnen in Kooperation mit dieser christlichen
Menschenrechtsorganisation beworbene Projekt zur Unterstützung der Verfolgten
Christen in der Levante!«
»Prima«, freut sich Medardon, »Das kommt genau zur
rechten Zeit!«
»Ja«, bestätigt Herr Schnuppel, »Überdies würden meine
Frau und ich einen Teil der Flyer in den umliegenden Gemeinden persönlich
verteilen wollen, um so für die NCI als auch das Projekt Vorort zu werben!«
»Ja, da bedanke ich mich tausend Mal! Jede Hilfe ist
willkommen!«
»Ach und Herr Medardon?«
»Bitte?«
»Vorgestern auf der ARD bei Anne Will. Da sprachen ihre
Kollegen Frau Annabella und Herr Richard davon, dass noch Helfer und Lehrer für
die muslimischen Konvertiten zum Einleben in die christliche Glaubenskultur
gesucht werden!«
»Ja, vollkommen richtig. Bei dem gigantischen Zustrom
von Ex-Muslimen können wir jede Hand gut gebrauchen. Haben sie Interesse
daran?«
»Ja - aber nicht für mich frage ich. Vielmehr - unser
Gemeindepfarrer, Herr Knubbel, bat mich, ihnen mitzuteilen, dass sich derzeit
etwa dreißig unserer Gemeindemitglieder hierfür zur Verfügung stellen möchten.
Daher wollte er nun wissen, ob sie hier unsere Hilfe in Anspruch nehmen wollen
und wenn ja, wie sich das organisiert!«
»Hm - da verbinde ich sie am Besten gleich mal weiter an
den Herrn Richard. Dafür ist er zuständig. Aber ich freue mich über diese
Unterstützung und bitte richten sie Herrn Pfarrer Knubbel meinen persönlichen
Dank aus!«
»Mache ich gerne!«
»Prima - einen Moment, ich verbinde sie jetzt!«
Den Hörer kurz zur Seite legend, ruft Medardon:
»Richard?«
»Ja«, ertönt es aus dem Nebenzimmer.
»Ein Herr Schnuppel für dich!«
»Wie heißt der«, lacht Richard, »Schnuppel?«
»Ja - er hat noch dreißig Helfer für die Konvertiten für
dich!«
»Puh - keine Ahnung, wo ich die noch hinpacken soll.
Mittlerweile habe ich so viele Freiwillige, dass ich kaum mehr hinterherkomme.
Aber gut. Stell ihn durch!«
Kurze Zeit später reicht Annabella Medardon die Mappen
mit den Dankesbriefen. Briefe an all die Helfer, die sich in den letzten
Monaten dafür eingesetzt haben, dass die neue christliche Gemeinschaft im Land
ihr Comeback feiern konnte.
»Aha«, wundert er sich, »Und nun?«
»Unterschreiben«, sagt sie wie selbstverständlich.
»Bitte?«, fragt er erschrocken, »Alle Briefe?«
»Medardon«, entgegnet sie mit erzieherischem Tonfall,
»Wenn wir unsere Unterschriften Digital drucken würden, wären es keine
persönlichen Briefe mehr. Du verstehst? Die Helfer haben ein Anrecht darauf,
dass sie sich persönlich angesprochen wissen! Mit unseren echten Unterschriften
wissen sie das!«
»Wie recht du hast, meine Liebste«, bestätigt er und gibt
ihr einen Kuss. »Na dann wollen wir mal«, ermutigt er sich und setzt an, seine
kunstvoll geschwungene Signatur unter die Hunderte von Briefen zu setzten.
Gleich wie Annabella.
Das Kugelschreiberrauschen durchbrechend, sagt
Annabella: »Beinahe hätte ich es vergessen. Meine Mutter rief vorhin an!«
»Was wollte sie diesmal? Jetzt bitte nicht schon wieder
wegen der Hochzeit?«
»Doch!«
»PUH - hast du ihr gesagt, dass es unsere und nicht ihre
Hochzeit ist?«
»Ach«, wiegelt sie ab, »Du kennst sie doch. Es macht ihr
nun mal Freude!«
»Nun denn. Also? Was ist es diesmal?«
»Sie wollte wissen, ob es für uns in Ordnung sei, wenn
sie den Schneider mit auf die Gästeliste setzt!«
»Welchen Schneider?«, will er wissen.
Ihn sanft am Arm schupsend, sagt sie: »Wo lebst du? DEN
Schneider!«
»Den Bundeskanzler? Niemals!«
»Nein«, entsetzt sich Annabella, »Wie kommst du auf den?
Ich meine DEN Schneider!«
»Ach - Helge. Ja sofort«, lacht er und freut sich
bereits auf die musikalische Ermunterung.
»Toll«, freut sich auch Annabella.
Sich seine immer müder werdenden Augen reibend,
beschließt Medardon nach der Unterschriftenaktion: »Annabella. Ich mach für
heute Feierabend. Ich brauch dringend eine Mütze schlaf!«
»Spinnst du?«, ruft Annabella erschrocken. »In einer
Stunde kommt unsere Berliner jüdische Gemeinde. Hast du die etwa vergessen?«
»Was? Heute?«, erstaunt sich Medardon. »Ich dachte, die
kämen erst kommende Woche!«
»Ursprünglich war dem auch so. Gestern noch teilte ich
dir mit, dass die ihren Termin vorverlegen wollten. Da der Papst an der großen
christlich-jüdischen NCI-Versöhnungsmesse hier in Berlin teilnehmen will,
musste diese doch auf kommende Woche vorverlegt werden. Daher auch die Umlegung
unseres Termins mit der jüdischen Gemeinde auf heute!«
»Stimmt, ich erinnere mich. Hm - einverstanden. Pass
auf. Sei so gut und kümmere du dich bitte um sie. Heute Abend komme ich dazu.
Andernfalls klappe ich zusammen!«
»Mach ich doch gerne! Kuss!«
Ihr liebevoll über ihren Babybauch streichelnd, erwidert
er ihren Kuss und dankt Gott im Herzen für den Reichtum in seinem Leben.
Ja, so ist das. Hätten Medardon, Annabella und Richard
zuvor gewusst, auf was sie sich da einlassen, sie hätte noch einmal zuvor
richtig Urlaub genommen. Aber was soll‘s. Nun sind sie mit vielen, vielen
Christen im Auftrag und unter dem Segen des Herrn unterwegs. Und es macht ihnen
allen einen unsagbaren Spaß. Auch wenn hin und wieder die Arbeitsnächte lang
werden. Egal. Im Himmel wird schließlich auch nicht geschlafen, wenn es darum
geht, Seelen zu erfreuen oder auch diese für den Erlöser zu gewinnen.
Teil 4: Abgesehen von der guten Idee! Warum sollten wir das machen?
»Puh, das hätten wir«, atmet
Medardon erleichtert auf. »Aber irgendwie ...!«
»Ja?«, hakt Annabella nach.
»Hm - da fehlt noch was!«
»Ich denke, da sollte noch so
was wie ...!«
»Richtig«, erkennt nun auch
Medardon. »Magst du es schreiben?«
»Ich? Puh, ich kann nicht mehr.
Und du?«
»Ne! Richard? Du?«
»Gib her«, sagt er und zieht den
Laptop zu sich hin.
Klick, klacker, klacker, Klick, klacker, klacker, Klick!
Im Grunde ist es doch viel
einfacher, in Ideen zu schwelgen. Sich in seinem Fernsehsessel zurückzulehnen,
die Welt zu betrachten und sich zu denken: »Alles nur Spinner. Hauptsache ich
habe es verstanden!«
Entspricht ein derartiges
Gedankenmuster unseren christlichen Überzeugungen? Wohl kaum.
Überdies aber verkennen wir die
Dringlichkeit für unsere christliche Identität - gleichwie für die
Gesamtsituation in unserem Land. Wenn wir jetzt nicht tätig werden und uns als
Deutsche mit unserer Kultur und auch Religion nicht endlich einfordern, werden
wir gnadenlos unterwandert und zuletzt überrannt. Wenn ich Derartiges behaupte,
bin ich kein Schwarzseher. Ich beschreibe damit nur die Dinge, die sich bereits
angefangen haben, schwarz zu färben.
Daher frag du dich an dieser
Stelle selbst:
- Was hältst du von unserer Politik im Ganzen?
- Wer hat die Macht in unserem Land? Das Volk, Lobbyisten, Banken?
- Wie denkst du über die Gesamtsituation mit dem Islam?
- Gibt es noch eine soziale Gerechtigkeit oder ist das nur noch eine leere Floskel im Rahmen von Wahlveranstaltungen?
- Sind die Grünen noch grün?
- Sind die Roten noch rot?
- Handeln die Parteien mit dem C in ihrem Namen wirklich christlich?
- Welchen Auftrag, gar welche Mission verfolgen unsere Kirchenobersten, wenn sie einer antichristlichen Religion wie dem Islam mehr als nur ein Podium bieten und regelrecht für ihn zu werben scheinen?
- Wann wurden das letzte Mal in Deutschland Juden VON WEM auf offener Straße attackiert, einzig deshalb, weil sie Juden sind?
- Gab es früher auch ein so riesiges Polizeiaufgebot bei Demonstrationen für den Frieden?
- Weshalb heißt Christi Himmelfahrt im Volksmund Vatertag, an dem nur noch Männer mit Bierwägelchen besoffen durch die Straßen ziehen?
- Weshalb laufen bereits zur Mittagszeit Softpornofilme auf den jugendlichen Musikkanälen? Ach so, sorry. Sind ja nur Lady Gaga und so ein komischer Rapper.
- Wie kommt es, dass beinahe jedes halbe Jahr irgendwo auf der Welt junge Männer Amokläufe verüben?
- Verkünden unsere Nachrichten die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit?
- Gab es in den Jahrzehnten von 1950 bis 2001 vollverschleierte Frauen auf unseren Straßen - ich meine, außerhalb von Karneval?
- Fühle ich mich von meinen offiziellen Kirchenvertretern tatsächlich vertreten?
- Juckte es irgendwen in unserem Land in den Jahren von 1950 bis zum 11. September 2001, dass muslimische Frauen Kopftücher tragen oder muslimische Männer einen Ziegenbart?
- Würde auch ich gerne mal bei der einen oder anderen Diskussionsrunde in den Fernseher krabbeln, um dort mal richtig mit den Leuten zu schimpfen sowie meinen eigenen Senf dazugeben?
- Geht von unserem Land wirklich Frieden aus?
- Erfüllt unser Land überhaupt unseren eigenen Friedensauftrag?
- Gibt es überhaupt noch einen allgemein verbindlichen moralischen Maßstab in unserer Gesellschaft?
- Schafft es ein Oliver Welke mit seiner Heute-Show seine Zuschauer dazu zu bewegen, ihre Hintern aus den Sesseln zu erheben?
- Wundern sie sich auch darüber, dass die Kritik an der islamischen Hetze gegen das Christentum als Islamophobie bezeichnet wird?
- Ist Harz 4 wirklich eine SOZIAL-Leistung - eine Leistung des Sozialen - eine soziale Leistung - eine Leistung im doppelten Sinne überhaupt?
- Hat sich Obama den Friedensnobelpreis wirklich verdient?
- Ist es tatsächlich von Interesse zu erfahren, wen George Clooney geheiratet hat, oder ob das Königssöhnchen seit zwei Tagen keinen Stuhlgang mehr hat?
- Gehöre ich als Christ wirklich zu einer aussterbenden Spezies?
- Ist der Islam wirklich so attraktiv, dass er mittlerweile dem Christentum allerorts bevorzugt zu werden scheint?
- Werden unsere Steuern tatsächlich zum Wohl des Volkes eingesetzt?
- Wie viele der 665 Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind noch Volksvertreter?
- Wenn doch der Papst zu einem Gebet für den Frieden in der Welt in den Vatikan einlädt, weshalb betet dann der muslimische Imam, Allah möge alle Ungläubigen, sprich Juden und Christen, töten?
- Arbeite ich noch? Oder lebe ich schon?
- Schau ich Fernsehn, oder denke ich schon?
- Weshalb bezieht unsere christdemokratische Regierung keine klare Position zu den über 100 Millionen weltweit verfolgten, gefolterten und ermordeten Christen?
- Würde ich dann, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bietet, die Gesellschaft zu bereichern, diese Chance nutzen?
Dieser Fragekatalog ließe sich um Stunden fortsetzen. Und ja, recht schnell drängt sich einem der Eindruck auf, dass hier eine Verschwörung am Gange ist. Doch so leicht ist es leider nun einmal nicht. In der Tat ist es um ein Vielfaches komplexer und dennoch durchschaubar. Letzteres aus eben dem Grund, weil in alle dem etwas durchschimmert, was allem Vernunftbegabtem, zu dem der Mensch fähig ist, entgegensteht. Daher geht es zuletzt nicht darum, gegen all das zu kämpfen. Ein solcher Kampf wäre von vornherein verloren. NEIN. Es geht darum, sich für etwas starkzumachen, was unserer Welt als Bereicherung hinzugefügt wird und als solches erkannt wird. Eben hiervon sind wir Christen doch tief überzeugt, dass die Lehre des Nazareners auch nach 2000 Jahren seine Aktualität besitzt sowie seine Umsetzbarkeit erfahren kann. Aber hier ist es an uns, dies zu tun. Wir müssen handeln - nein, wir dürfen handeln. Und wir sollten es. Denn schließlich geht es um viel, viel mehr, als der Welt einfach nur Moral, Anstand, Alternativen und Hilfe zu bieten. Und ein jeder lebendige Christ weiß, wovon ich spreche. Wollen wir also in der Tat immer mehr nur noch ein Nischendasein fristen? Oder wollen wir endlich als das in aller Öffentlichkeit wahrgenommen werden, worin wir uns selber verstehen? Eben dieses Öffentlichkeitsbild wird dazu beitragen, den Verhältnissen in unserem Land unsere Werte und Überzeugungen hinzuzufügen. Und all diese christlichen Werte, wenn sie wahrgenommen und angenommen werden, sind eine Bereicherung. Wir wissen das. Nun ist es an der Zeit, dass die Öffentlichkeit hiervon erfährt und davon profitiert. Für uns, für unseren Nächsten, für unser Land, für unsere Kultur, für unsere Kinder sowie deren Gegenwart und Zukunft.
Vor allem müsste sich einem jeden Christen der Magen
umdrehen, wenn wir uns anschauen, in welch einer unglaublich dummen aber auch
unverschämten Art über Jesus wie selbstverständlich in aller Öffentlichkeit
gesprochen wird. Selbiges geschieht mit dem Evangelium. Der wichtigste Mensch
der gesamten Menschheitsgeschichte wird auf einen wirren Wanderprediger,
dubiosen Religionsgründer oder einfachen Propheten reduziert. Seine göttliche
Autorität wird entweder geleugnet oder als ein schwärmerisches Kirchendogma
abgetan. Gleiches mit seiner Auferstehung. Wer an all das heutzutage noch
glaubt, gilt als altmodisch, ja gar als engstirnig, unaufgeklärt und spirituell
verkrüppel. Wir Christen wissen, dass das nicht stimmt.
In Wahrheit ist die Lehre des Nazareners auch heute noch
die größte und wichtigste Revolution aller Zeiten.
Wir dürfen es einfach nicht zulassen, dass Jesus, nun da
er seinen ursprünglichen jüdisch-nazarenischen Platz von der Christenheit
wieder zugesprochen bekommt, nicht noch einmal entführt wird. Und für wahr. Die
Entführer stehen in den Startlöchern und sind in ihrem Vorhaben aktiv und
hochgradig gefährlich.
Elvis macht auch heute noch, beinahe vierzig Jahre nach
seinem Tod, einen Jahresumsatz von 500 Millionen Dollar!
Deshalb sagen die Elvis-Fans nach wie vor: 50 Millionen
Elvis Fans Can‘t Be Wrong!
Jesus macht auch heute noch, beinahe zweitausend Jahre
nach seiner Auferstehung, den Menschen in seinem ganzen Sein frei!
Deshalb sagen die Christen nach wie vor: 3,5 Milliarden
Christen können sich nicht irren.
Jesus belehrte uns darin, dass wir an unseren Früchten
erkannt werden. Also auf, liebe Freundin, lieber Freund. Lass uns dazu
beitragen, dass wir unsere wohlschmeckenden und überwältigenden Früchte
darreichen und diese als das Werk der neuen christlichen Identität in
Deutschland wahrgenommen werden.
Wenn wir damit anfangen sollten, so beginnen wir nicht
bei null Prozent. Wir begännen bei 100 Prozent und richten uns nur noch ein
weiteres Büro ein. Aber eines, dass es in sich hat! Ein Büro mit über 50
Millionen Mitarbeitern.
»Super. Gut geschrieben Richard«, lobt ihn Medardon und
fragt: »Und jetzt?«
»Keine Ahnung«, überlegt Annabella, »Ab damit ins
Internet und per E-Mail verteilen!«
Klick, klacker, klacker, Klick, klacker, klacker, Klick!
»Speichern!«
»Veröffentlichen«, sagt Annabella, »Hä, wo ist denn der
Button zum Veröffentlichen?«
»Dort!«
»Ah ja!« Klick! »Online!«
Klick, klacker, klacker, Klick, klacker, klacker, Klick!
»E-Mails senden - raus - fertig«, freut sich Annabella.
»Gut. Und als Nächstes?«, fragt er.
Sich an sein Ohr lehnend, flüstert sie ihm etwas zu.
»Ha ha ha«, amüsiert sich Medardon, klappt den Laptop zu
und schmunzelt, »Gerne! Na dann auf - hopp!«
»Ha ha ha - Medardon«, lacht Annabella Grund seiner
Albernheiten, »Lass das, ha ha ha. Nicht!«
»He he he!«
»Na die sind beschäftigt«, amüsiert sich Richard und
zieht sich dezent zurück, rufend: »Wunbert komm. Gassi gehen!«
Teil 5: Und nun? Was sagst → »DU«?
medardon.blogspot.com
Danke an Channel TCB News für dieses Video. Es mach einfach nur Spaß!