In dieser Woche machte eine Schlagzeile auf sich aufmerksam, die einem Si-Fi und/oder
Thriller Schriftsteller vergnügliche Stunden des Tagträumens beschert haben dürfte.
Das Onlineportal heise.de berichtete am 20.04.2017 wie folgt:
Das Onlineportal heise.de berichtete am 20.04.2017 wie folgt:
Facebook will Menschen direkt mit dem Gehirn schreiben lassen
Facebook will Menschen direkt aus dem Gehirn heraus Worte in Computer schreiben lassen. Das aktuelle Ziel sei, auf 100 Worte pro Minute zu kommen. Dies könne in einigen Jahren erreicht werden.
Und weiter ...
Gedankenüberwachung
Es gehe zugleich auf keinen Fall darum, wahllos Gedanken von Menschen zu lesen. Dazu habe niemand das Recht. ...
Aha, niemand habe das Recht dazu, wahllos Gedanken zu lesen. Auf diese wahrlich interessante
Formulierung komme ich weiter unten noch zu sprechen.
Da ich nun einmal keinen Bock darauf habe, einen Thriller zu diesem Thema zu schreiben,
begnüge ich mich damit, die Nacherzählung eines erfundenen, typischen Hollywood Movies zu
verfassen. Natürlich mit allen Plots und Cliffhangern.
DER BRAINBUG
(Ich weiß, klingt mehr nach einem B-Movie - aber egal)
Die Geschichte beginnt mit der Forschung an einem Projekt des technischen Gedankenlesens,
welches natürlich auf bereits existierende Erfolge im Bereich der Neurotechnologie aufbaut.
Im Mittelpunkt der Story steht eine hochbegabte, anfang zwanzigjährige, supersympathische,
höchst attraktive und vollbusige Wissenschaftlerin (äußere Reize dürfen ja nicht fehlen)
- ihrerseits gebürtige Amerikanerin einer asiatisch-amerikanischen Mutter und eines (natürlich)
vollblutpatriotischen Vaters. Geben wir ihr den Namen Prof. Dr. Dr. Susan Backham.
Versteht sich von selbst, dass Susan nicht einzig aus wissenschaftlichem, sondern auch aus
persönlichem Antrieb an diesem Projekt arbeitet, da ihr geliebter Vater während seines mit
duzenden Orden ausgezeichneten Kriegseinsatzes in Afghanistan in einen teuflischen Hinterhalt
der Taliban geriet und infolge des Kampfes seine Zunge verlor. Was für ein Held.
Eine kurze Rückblende von Daddy im Krankenbett folgt.
»Daddy«, sagt Susan, »Ich werde alles dafür tun, dir deine Würde
zurückzugeben.«
Daddy hat Tränen in den Augen und sagt: »Gua guji chchchch ua chichachu!«
»Ja, Daddy«, antwortet Susan weinerlich, »Ich liebe dich auch!«
Schnief!!!
Um ihrem Daddy nun also seine Sprache wieder zurückzugeben, forscht sie leidenschaftlich
an dem Projekt, mit dessen Hilfe Gedanken sowohl als Text als auch als Sprache technisch am
Computer ausgegeben werden können.
Nachdem in den ersten fünf Filmminuten Susans herzergreifende Geschichte runtergerattert
wurde, mit sentimentaler Streichmusik unterlegt, sieht man sie nun des Nachts in ihrem dunkelblau
beleuchteten Forschungslabor arbeiten. Dieses ist ausgestattet mit unzähligen Großbildschirmen
an den Wänden, hierauf zu sehen nichtssagende Wellenmuster und animierter kryptischer
Computercode, weiterhin duzende Supersciencegeräte auf den Tischen und leise Piepgeräusche
im Hintergrund. Auf einen der Tische schlafend vorn übergebeugt, seine Arme als
Kopfkissen genutzt, ihr total überarbeiteter Assistent Steward Miller. Eben die Art von Kollege,
der Grund seiner intellektuellen Minderbegabung seine Chefin gleich fünf Mal Intelligenter
erscheinen lässt, als sie ohnehin schon ist.
Auf einem großen weißen Ledersessel liegt ein Proband. Aus dessen kahlgeschorenem Kopf
führen drei Drähte in einen Computer, welcher die Aufgabe hat, die Hirnströme in Text und
Sprache umzuwandeln.
»Na, dann wollen wir mal«, sagt Susan, rückt sich ihre übergroße Brille zurecht, und
setzt
an zu ihrem tausendsten Versuch.
»Ja«, sagt der Proband, »Ich spüre schon, wie es unter meiner Hirnrinde brutzelt.« Er
sendet
ihr einen eindeutigen Blick.
Susan lacht herzhaft: »Du Witzbold!«
Drrrr, Brrrr, Grrrr, Knarz, Bruzel, Schsch - die Maschine beginnt aufzuzeichnen.
Die Kamera fährt auf den Bildschirm, die spannungsreiche Musik wird immer lauter, der
Cursor blinkt ... blinkt ... blinkt ... blinkt ... blinkt ... blinkt ... blinkt.
Und dann der erste Buchstabe ... B. Gefolgt von einem O, einem A, einem Leerzeichen ...
und weiter - w - a - s | f - ü - r | M - ö - r - d - e - r | T - i - t - t - e - n!
Gleich dem Text, so auch die Sprachausgabe. Susan jubelt laut, ihr Kollege Steward erhebt
kurz seinen Kopf, guckt verschlafen, streift sich den Schlafsabber von seinem Mund und pennt
sofort wieder ein.
Mit einem Stapel an Papieren rennt Susan durch die neonbeleuchteten Gänge der Forschungseinrichtung,
stürmt in ihr Büro, greift völlig außer Atem nach dem Telefon, wartet kurz,
dann sagt sie: »Marc, wir haben es geschafft!«
Eine Collage im Zeitraffer aus weltweiten Nachrichtensendungen, Fernsehinterviews, Zeitungsberichten
und wirtschaftlicher Vermarktung dieser Technologie folgt. Der Zeitraffer verlangsamt
sich.
Zehn Jahre später.
Susan, adrett gekleidet, sitzt in einem Fernsehstudio und wartet auf den Beginn ihres Interviews.
Im Hintergrund läuft noch der Einspieler zu der Sendung.
Hier kommentiert die Stimme aus dem Off: »Diese Technologie verhalf Brainspeach Global
Cooperation zu einer weltweit einzigartigen und monopolgleichen Marktstellung. Diese revolutionäre
Technologie setzte neue Maßstäbe zu unserem aller Wohl. In unserem Alltag gleich wie
in unserer Geschäftswelt und dem Entertainment. Was vor zehn Jahren mit einer freien Wahlmöglichkeit
zur Verwendung der Brainspeach-Technologie begann, mündete nach weiteren
sieben Jahren in dessen Unverzichtbarkeit. Über dessen jüngste Weiterentwicklung unterhalten
wir uns heute mit der Erfinderin des Brainspeachs, Prof. Dr. Dr. Susan Backham.«
♪♫ Ta ♪♫ tatata ♪♫ taaa ♪♫
Moderatorin, Josephine Cole: »Professor Backham. Brainspeach hat unsere Welt verändert.
Tastatur und Maus gehören unlängst der Vergangenheit an und lassen sich allerhöchsten noch in
Museen beschauen.«
Susan: »Ja, Josephine. Wie immer in unserer Welt lässt sich technologischer Fortschritt nun
einmal nicht aufhalten.«
Josephine: »Sie sagen es. Dennoch mahnen die Kritiker und Menschenrechtsorganisationen
an, die jüngste Erweiterung ihrer Technologie würde die Grundrechte der Menschheit auf freie
Gedanken unterwandern, ja gar bedrohen. Was sagen sie dazu?«
Susan: »Ich kann derartige Ängste durchaus verstehen und diese nachvollziehen. Aber wie
zu allen Zeiten, als neue Technologien in unseren Alltag Einzug erhielten, waren auch dort deren
ständiger Begleiter Misstrauen und Sorge vor dem Verlust der individuellen Freiheit. Unbegründet,
wie wir heute wissen.«
Josephine: »So auch mit dem jetzt neu angebotenen implantierbaren Brainspeach Mikrochip,
der uns rund um die Uhr für den Rest unseres Lebens mit der Computerwelt verbinden
wird?«
Susan: »Ja, eine faszinierende Extension. Mit nur einem winzigen Nadelstich wird der Chip
ins Gehirn injiziert, worauf hin sich dieser direkt per WLAN mit allen umhergebenden Computern
vernetzen kann.«
Josephine: »Die Kritiker hingegen mahnen an, dass trotz des großen Nutzens die Gefahr
besteht, dass kriminelle Subjekte die Gehirne der Menschen hacken und so deren Gedanken ausspionieren
könnten. Eine Kritik, die sich zuletzt auch an Regierung und die Geheimdienste
wendet.«
Susan lacht sympathisch und sagt: »Durchaus stimmen uns solche Meldungen skeptisch.
Aber auch nur deswegen, weil die Kritiker diese Technologie noch nicht gänzlich verstehen. Sie
sollten sich zunächst einmal mit unseren Studien auseinandersetzen, die sich mit dem menschlichen
Willen befassen und wie dieser dazu imstande ist, eine Firewall gegen derartige Angriffe
zu entwickeln. Hierzu bieten wir auch extra Schulungskurse an.«
Josephine: »Faszinierend. Dennoch bleiben die Mahnungen im Raum stehen, dass die
Regierung mittels höchstrichterlicher Entscheidung aufgrund von Terrorabwehr sowie kriminellem
Handeln wie Waffen-, Menschen- und Drogenhandel in die gedanklichen Persönlichkeitsrechte
ihrer Bürger eingreifen könnte.«
Susan: »Obgleich ich diese Kritik nachvollziehen kann, sehe ich aber im selben Maße keine
Veranlassung dahingehend, sich Sorgen machen zu müssen. Denn niemand hat gemäß unserer
Verfassung das Recht dazu, wahllos die Gedanken eines anderen Menschen auszulesen. Auch
unsere Regierung nicht. In all unseren Gesetzestexten gibt es nicht einen einzigen Paragraphen,
der wen auch immer hierzu ermächtigen täte.«
Bla, bla, bla.
♪♫ Ta ♪♫ tatata ♪♫ taaa ♪♫
Susan verlässt gerade eben das Gebäude des Fernsehsenders, als ein ihr völlig unbekannter
Mann auf sie einstürmt, sie bei der Hand nimmt und in eine versteckt dunkle Seitengasse der
New-Yorker Hochhausstraßen zerrt.
Mit ängstlicher Stimme, sich fortwährend umschauend, sagt er: »Misses Backham. Sie
beobachten mich. Brainspeach Global und die Regierung haben sich verschworen. Gegen die
amerikanische Bevölkerung. Nehmen sie das, dann verstehen sie es.«
Susan schaut ungläubig und will ihm gerade eine Frage stellen, da steckt er ihr einen futuristisch
ausschauenden USB-Stick zu, fleht noch einmal kurz: »Sie müssen die Menschen warnen«,
und eilt davon. Natürlich wird der Mann kurz daraufhin von einem LKW überfahren, blutig zerquetscht
und ist mausetod.
Und wie geht die Geschichte nun weiter? Wie immer. Susan findet heraus, dass der Hirnchip
über einen Bug verfügt, welcher willentlich vom Boss ihrer Firma und verschworenen Subjekten
innerhalb der Regierung installiert wurde. Dieser Bug umgeht kontrolliert und unbemerkt vom
User die gedankliche Firewall, so dass hierdurch alle Gedanken, Erinnerungen, Träume und
Wünsche des Menschen auslesbar sind - und gar, wenn nötig, in audiovisuelle Formate
umgewandelt werden können. Und mehr als dies verfügen die Verschwörer weltweit über riesengroße
geheime unterirdische atomkriegssichere Computeranlagen, die sämtliche Gedanken aller
Menschen auf der Welt rund um die Uhr abspeichern und in leicht auswertbaren Datenbanken
zusammenfassen können. In letzter Sekunde vermag es Susans Assistent Steward ihr von der
Existenz dieser geheimen Anlagen zu berichten, da wird er auch schon von seinen Verfolgern
grausamst hingerichtet. Obgleich für die Handlung des Films vollkommen unnötig, soll diese
Szene dem Zuschauer einen Eindruck davon vermitteln, welch brandgefährliche Gegner Susan
hat. Und natürlich darf der einfache dumme Mann wieder mal den aufopferungsvollen Helden
spielen.
Aber schlimmer noch als diese Verschwörung ist geplant, dass der Hirnchip nicht nur
Gedanken sendet, sondern auch externe Befehle empfangen soll. Derart, dass der User nicht
bemerkt, wie dessen Wille manipuliert wird. Das Endziel soll sein, dass die amerikanischen
Bürger scheinbar freiwillig einem Gesetz der Regierung zustimmen werden, welches diese
uneingeschränkt dazu berechtigen soll, die Gedanken aller Bürger auch auf rechtlicher Basis auslesen
zu dürfen, um auf diesem Wege die totale Weltregierung zu erzwingen und alle Menschen
zu versklaven. Im selben Zuge erhält Brainspeach Global Cooperation das alleinige Patentrecht
sowie Copyright und Nutzungsrecht sämtlicher Gedankenerzeugnisse aller Menschen auf der
Welt.
Aber natürlich, keine Bange, vermag es Prof. Dr. Dr. Susan Backham unter dauernder
Bedrohung ihres Lebens, zusammen mit ihrem neuen Lover Jack Bauer, diese Verschwörung
aufzudecken, die Öffentlichkeit hiervor zu warnen, den vermeintlichen Bug aus dieser Technologie
zu entfernen und zuletzt fortdauernden Frieden und Freiheit für die Menschheit zu
erringen.
♪♫ Ta ♪♫ tatata ♪♫ taaa ♪♫
Dann aber, in der letzten Filmsequenz, ein Mann mit diabolischem Blick, sitzend in einem
dunklen Raum hinter einem großen Schreibtisch und vor einer monströsen Weltkarte, der
siegesgewiss grinst und sagt: »Meine Herren, Misses Backham hat uns einen großen Dienst
erwiesen. Dank ihres unbeabsichtigten Engagements haben wir unser Ziel erreicht. Mit der
Entfernung des Brainbugs hat sie unwissentlich den Hirncode zur individuellen Entfaltung der
User blockiert. Morgen schon gehören uns alle Gedanken der Menschheit. Ja, meine Herren,
morgen schon werden wir Gott sein!«
♪♫ Ta ♪♫ tatata ♪♫ taaa ♪♫ TUT ♪♫
Ende oder Fortsetzung? Ist mir offengestanden scheißegal, weil eh ein schlechter Film. Wie
immer, ausgezeichnet mit wenigstens zehn Oscars.
ABER. Wie immer werden dann künftige Verschwörungstheorien zu diesem Thema gerne
mit der Heranziehung derart stumpfsinniger Filme begründet und von all den aufgeklärten
Bürgern unserer Welt mitleidsvoll belächelt.
Spinnen wir aber einfach mal den Gedanken weiter, wie er mit dem nicht fiktiven Artikel
auf heise.de auf den Weg gebracht wird. Facebook will Menschen direkt aus dem Gehirn heraus
Worte in Computer schreiben lassen.
Gehen wir also einmal davon aus, dass wir in wenigen Jahren bereits auf leichtem und
kostengünstigem Wege unsere Gedanken an einen Computer übertragen können. Welch ungeahnte
Möglichkeiten sich darüber hinaus in noch weiterer Zukunft eröffnen ließen. Computer
könnten vollständig per Gedanken gesteuert, Erinnerungen ohne weitere Umstände als Bilder
und Filme projiziert und Träume aufgezeichnet werden. Zunächst virtuell auf dem Bildschirm,
später als holografische Projektion in den Raum und irgendwann auch als greifbare Realität
materialisiert. Ich sehe jetzt schon den einen oder anderen Dreckskerl, der dann gerne mal sein
Lieblingspornomodell pimpern täte. Aber egal. So sind halt nun einmal die Weltmenschen.
Doch für welchen Preis?
Heute noch will man uns versichern, dass niemand dazu das Recht habe, unsere Gedanken
wahllos lesen zu dürfen. Und ja, das ist auch zutreffend. Derartige Rechte kennen unsere Gesetze
auch noch nicht. Weil es hierfür eine Technologie braucht, wie sie erst in den kommenden Jahren
entwickelt und dann markttauglich gemacht werden müsste. Wenn es diese Technologie dann
aber geben wird, werden nach und nach wie immer die kleinen Hemmschwellen durchbrochen,
bis zuletzt kein Computer mehr ohne Hirnchip funktionieren täte - so wie heute bereits mit der
allgemein gebräuchlichen Computertechnologie unsere Informations- und Geschäftswelt. Ich bin
mir aber sicher, dass wenn es diese Technologien eines Tages geben sollte, dass dann auch der
Moment kommen wird, da darüber diskutiert werden wird, inwieweit die persönlichen Gedanken
aufgrund neuer Bedrohungsszenarien dem Staat zur Verfügung gestellt werden dürfen oder gar
müssen. Es wird hiermit dieselbe Diskussion geführt werden, wie heute mit dem so genannten
Lauschangriff und den hiermit verbundenen fadenscheinigen Begründungen - Abwehr und Vorsorge
vor Terror und Kriminalität. Hierfür werden auch gerne mal alle unschuldigen Bürger des
Landes unter Generalverdacht gestellt. Vor mehr als zwanzig Jahren, als die Internettechnologie
noch in ihren Kinderschuhen steckte, wurden derartige Diskussionen über Big Brother in die
Akte der Verschwörungstheorien gesteckt. Heute jedoch liegen diese Akten auf den Tischen
unserer Bundestagsabgeordneten, um hieraus Gesetze zu formulieren.
Sind wir alle wahrhaft derart naiv, unser heiligstes Eigentum - unsere Gedankenwelt - einem
größenwahnsinnigen Spinner wie Marc Zuckerberg anvertrauen zu wollen und ihm zu ermöglichen,
diese heiligen Dämme zu brechen? Falls ja, müssten wir auch unser deutsches Liedgut
konsequenterweise umdichten, da es dann heißen wird: Die Gedanken waren frei ...!
Wisst ihr was? Fickt euch doch alle!!!