Donnerstag, 18. Februar 2016

Hadar Buchris

Ich sehe das Foto einer 21 Jahre jungen Frau. Ich kannte sie nicht - dennoch drängt sie nun aus der Ferne zu mir herüber. Sie strahlt, wirkt charmant, ist voller Energie und lebensfroh. Ein Foto, dass mir ihre Geschichte erzählen mag - ebenso all die vielen noch ungeschriebenen Lebenskapitel, die sie noch hätte vor sich haben können - mit denen sie zu einem Reichtum anderer hätte bleiben und weiterhin werden können. Es ist ein Foto, das ich im Grunde nicht sehen mag - nicht in diesem Zusammenhang. Denn es ist ein Nachruf an eine mir unbekannte Frau.

Das wenige, was ich von Dir, Hadar, aus den Zeitungsberichten weiß, ist,
dass Du Theater studiert sowie mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hast. Immer hattest Du ein offenes Ohr und ein helfendes Herz für Deine Freunde, bis spät in die Nacht hinein, berichtet Deine Lehrerin. Ein Herz, das nun so grausam aus der Mitte Deiner Liebsten gerissen wurde. Dein Herz - zerstochen.
Bereits seit vielen Wochen bin ich wie gelähmt und erschrocken über all die täglichen furchtbaren Nachrichten aus Deinem wundervollen Land. Als ich aber Dein Foto sah, wich der Schrecken erstmals meinen Tränen. Es kann, nein darf einfach nicht sein, dass eine so junge Frau wie Du, die noch ihr ganzes Leben gestalten will, aus diesem urplötzlich herausgerissen wird. Ebengleich, wie all die anderen Menschen, denen selbiges angetan wurde wie Dir. Aus verblendetem Hass heraus.

Eine Woche vor Dir starben 130 Menschen in Paris. Viele unter ihnen ebenso jung wie Du. Die vielen Wochen zuvor waren es über 21 Menschen in Deinem Land, in den Wochen und Monaten bis auf den heutigen Tag sind es 30 - in den letzten 15 Jahren über 1200. Wertvolle Leben, liebender Väter, Mütter, Töchter und Söhne. Aus demselben Grund heraus, aus dem auch Du ermordet worden bist. Was ging in Dir vor, als du von den Menschen in Paris erfuhrst? Ebenso von all den schrecklichen und feigen Attentaten in Deinem Land? Was waren Deine Gedanken, Deine Gefühle?

Du bist gegangen - die Welt aber dreht sich weiter. Wie, um Gotteswillen, sollen wir mit dem, was Dir und all den Anderen, ebenso euren Hinterbliebenen, angetan wurde, umgehen? Betrachte ich Dein Foto, Dein strahlendes Gesicht und lass es zu mir sprechen, dann sagst Du mir, lass den Hass nicht an dich herankommen, dich von ihm nicht überwältigen. Mach dich nicht zu einem Teil von ihm. Ist es das, was Du uns jetzt aus der Ferne zurufst? Oder bist Du uns gar sehr viel näher, als wir es wahrzuhaben vermögen? Rufst Du nicht, sondern flüsterst Du einfach nur? Derart leise, dass wir uns selbst bemühen müssen, die Botschaft hinter Deinem Lachen zu vernehmen, sie zu verstehen?
In der Tat ist dem so. Denn Dein Lachen bewahrt mich davor, das Messer aus der Hand deines Mörders reißen zu wollen, um es ihm in sein Herz zu rammen. Denn in Wahrheit ist es so, dass er sich mit seiner Tat bereits selbst gerichtet und verdammt hat. Ließen wir der Rache, dem Hass und der Wut ihren freien Lauf, Dein Lachen könnte nicht mehr zu uns herüberdringen - wir würden Dich gar verwerfen. Das ist es, was Dein Foto mir mahnend zuflüstert. Ist es aber auch das, was die Spirale des Hasses, der Gewalt und Verblendung auf der Seite Deiner Mörder zu durchbrechen vermag?
Jakob erhielt einstmals von Gott den Namen, den Dein wundervolles und stolzes Land heute trägt. Israel, was übersetzt heißt Gottesstreiter, da Jakob mit Gott und Menschen gerungen und gesiegt hatte. Offengestanden sehe ich keinen anderen Weg, als mit Gott zu ringen. Um eine Antwort auf all diese gottlose Gewalt zu finden. Nicht, worin sie begründet sein mag. Denn diese Antwort ist einfach nachzulesen. Vielmehr die Antwort darauf, wie all den irregeleiteten und hassgetriebenen Menschen begegnet werden kann. Damit diese endlich begreifen, dass ihr allahbefohlener Todes- und Terrorkult eine einzige Lebenslüge ist. Heute jedoch stehe ich dieser Frage noch ohnmächtig gegenüber. Denn das einfache Wort der Wahrheit interessiert diese Mörder nicht. Das Wort, welches heißt, Liebe. Dies ist das Wort was ich selbst vor vielen Jahren errungen habe, nachdem sich Gott in meinem eigenen inneren Kampf von mir hat besiegen lassen.

Wende ich mich nun von all meinen Fragen ab, so ist es dieses eine Wort, was ich in meinen Gedanken und meinen Gebeten an Dich und Deine Liebsten senden mag. Damit es sie bald freimacht aus ihrem Schmerz, ihrer Ohnmacht und dem drohenden Gefühl des Alleingelassenseins. Und gleich ihnen, all denen, denen es gleichermaßen ergeht.


Thank you Lital Shemesh for this prayer.