Freitag, 5. Januar 2018

Kollektivschuld

Ich möchte euch eine wahre Geschichte aus dem Deutschen Reich erzählen. An welchem Ort sich diese konkret abgespielt hat, ist nicht weiter von Belang. Denn ich bin davon überzeugt, dass sich unzählige ähnliche Geschichten überall in Deutschland zugetragen haben. Es ist die Geschichte meiner Familie mütterlicherseits aus den Jahren von 1933 bis 1945.

Meine Großeltern waren gute Menschen. Sie liebten einander aufrecht und von Herzen, gleichermaßen ihre Kinder und ihren Nächsten. Sie hatten immer ein offenes Ohr für die Probleme anderer, ebenso helfende Hände. In die Kirche gingen sie nicht, weil sie wahrhaftige und wiedergeborene Christen waren. In ihrer Heimatstadt gab es zwar mehrere Kirchen. Dem Herrn Jesus aber begegneten sie in eben der Art und Weise, wie diesem es wohlgefällt - nämlich in ihren Hausversammlungen. Hier versammelten sie sich mit ihren Nachbarn, Familienmitgliedern und wer sonst noch dazukommen wollte. Meine Oma begleitete den Gesang auf dem Klavier, mein Opa las aus der Bibel vor und betete und wer sich vom Heiligen Geist berührt fühlte, hielt eine Ansprache. Und natürlich begegneten sie dem Herrn auch in ihrem alltäglichen Leben.


Nachdem Adolf Hitler 1933 in Deutschland die Macht übernommen hatte, gab es auch endlich wieder Arbeit für alle. So auch für meinen Opa. In einer Schokoladenfabrik erhielt er die Anstellung als Werkmeister nebst einem stattlichen Lohn. Und natürlich, wie es sich für einen gehorsamen Reichsdeutschen gehörte, trat auch er in die Partei ein. So verbrachten meine Großeltern eine wahrhaft gute Zeit in dem neu aufblühenden Deutschen Reich. Sie bewohnten ein kleines Häuschen, hatten immer einen vollgedeckten Gabentisch und wie selbstverständlich das Holzkreuz an der Wand. Ihnen mangelte es an nichts und ihre drei Töchter wuchsen auf in einem behüteten Elternhaus voller Friede und Glückseligkeit. Nur eines fehlte in ihrem reichsdeutschen Zuhause. Ein eingerahmtes Foto von dem Führer.


Die Ereignisse im Land gewandten sich von Jahr zu Jahr düsterer. Bald schon kristallisierte es sich heraus, dass die Freie Rede auf Basis des Netzwerkdurchsetzungs... äh ... Ermächtigungsgesetzes sein Prädikat ‚‚Frei‘‘ verlor und in ‚‚Gleichgeschaltet‘‘ geändert wurde. Auch andere politisch rechtlich relevante Tendenzen beobachteten meine Großeltern mit großer Sorge. Die anfängliche Euphorie über das neu erstarkte Deutschland wich zunehmend einem allbeherrschenden, omnipräsent bedrückenden Gefühl. Irgendetwas war faul im deutschen Lande.

Hitler rief die deutschen Mannen auf, ihrem Land in der Reichsarmee zu dienen. Mein Opa jedoch, ein stattlicher und kerngesunder Mann im besten Alter, entging diesem Aufruf auf Grund der Tatsache, weil er Plattfüße hatte und daher nicht der perfekten und vorbildlichen Maas... äh Maßeinheit eines Ariers entsprach. Aber auch, weil er in der Schokoladenfabrik mittlerweile eine wichtige Position innehatte und dort als unabdingbar galt.

Dann fand 1938 das Ereignis statt, welches sich in den Jahren zuvor bereits mehr und mehr herauskristallisiert hatte. Die Reichskristallnacht. Mein Großvater zog hieraus die Konsequenz.
Ich erinnere mich noch, als ich vor vielen Jahren meiner Oma beim Umzug half und mir hierbei das Tagebuch meines Opas in die Hände fiel. Neugierig, wie ich nun einmal bin, blätterte ich darin herum und las den Eintrag vom Donnerstag, den 10. November 1938.
»Heute Nacht zeigte der Teufel sein wahres Gesicht. Er sandte seine Dämonen aus, zu zerschmettern eine jede Seele, die für Jüdisch erfunden sei. Tief erschrocken, ohnmächtig erstarrt vor dem Angesicht des Bösen, erkannte ich, dass ich handeln muss. Also ging ich heute Morgen zur Parteizentrale und reichte meinen sofortigen Austritt aus der Partei ein. Danach ging ich in die Fabrik zur Arbeit.«
Zu dieser Zeit war mein Opa der Betriebsratsvorsitzende, weshalb sein Wort ein besonderes Gewicht und seine Person eine Vorbildstellung genossen. Viele seiner Kollegen, die von seinem Austritt aus der NSDAP erfuhren, waren durch ihn ermutigt und taten es ihm gleich.
Meinem Opa war durchaus bewusst, welch politisches Signal er mit seinem Austritt an die herrschende Klasse aussandte. Aber so war er nun einmal. In seinem Herzen und seiner Seele ein waschechter reichsdeutscher Christ. Hierauf und auf den Herrn vertraute er. Wie sich zuletzt herausstellen sollte, war das eine fürwahr gute Wahl. Denn der HERR beschützt die Seinen.

Dann kam der Krieg, der sich mit den Jahren mehr und mehr in das deutsche Land verlagerte. Es war das Jahr 1943, als die britischen Bomber über die Heimatstadt meiner Großeltern flogen, um ihre tödliche Fracht über die nahegelegene Großstadt abzuwerfen. Sie suchten Schutz im dunklen Keller. Einzig das Dröhnen der unzähligen Flugzeuge über ihnen war zu hören. Sie beteten zum Herrn darum, vor den Angriffen verschont zu bleiben. Dennoch ging eine Bombe unweit ihres Hauses herunter, durch dessen Auswirkung ihr Haus restlos ausbrannte. Wie durch ein Wunder blieben meine Großeltern und ihre Töchter unversehrt. Obgleich nicht sofort erkennbar, handelte es sich bei dem Verlust ihres Häuschens um die Beantwortung ihrer Gebete. Denn in der Folge hierauf mussten meine Großeltern die Stadt verlassen, die wenige Zeit später in Schutt und Asche gebommt wurde. Sie zogen auf das Land und fanden Unterkunft bei ihren Verwandten. Es war ein idyllisches Dorf, welches weder davor noch danach irgendetwas von den Grausamkeiten und den Gräuel des Krieges gesehen hatte. Hier verlebten sie in der Tat eine friedliche und geborgene Zeit, trotz dieses entsetzlichsten Krieges, den die Menschheit bis dahin jemals gesehen hatte. Dennoch machten sich die Auswirkungen der Hölle, die um sie herum tobte, auch hier bemerkbar.

Unter den streng wachsamen Augen der SS versteckte die Dorfgemeinschaft bereits seit Jahren eine jüdische Familie. Auf dem Dachboden eines befreundeten Bauern. Ob dieser mit Vorname Jack hieß, entzieht sich zwar meiner Kenntnis. Aber ja, er und all die anderen Bewohner des Dorfes waren Helden. Sie alle hielten zusammen, traten füreinander ein, halfen der jüdischen Familie unentdeckt zu bleiben und verarschten die SS nach Strich und Faden. Dies aber war nicht die einzige Heldentat, die meine Großeltern, ihre Verwandten und die Dorfgemeinschaft vollbracht haben.

Im Jahr 1944 stürze unweit des Dorfes ein britischer Bomber ab. Während des Luftgefechts mit deutschen Fliegern wurde dieser getroffen und ging zu Boden. Ein lauter Knall durchzog des Nachts das friedliche Dorf, als der Brite im Feld nahe der Ortschaft eine Bruchlandung hinlegte. Sogleich eilten die Menschen hinaus, um zu sehen, was vorgefallen war. Hier zogen sie den schwerverletzten Piloten aus seinem Wrack und brachten ihn in ihr Dorf.
Und wie es sich für wahre Reichsdeutsche gehörte, handelten sie auch entsprechend. Sie versorgten die Wunden von dem britischen Piloten, pflegten ihn gesund, gaben ihm ausreichend Nahrung und versteckten ihn bis nach Kriegsende in ihrer Dorfgemeinschaft vor der SS. Nicht aber in einem Keller oder auf einem Dachboden. Nein. Sie gaben ihm deutsche Kleidung, verpassten ihm einen deutschen Haarschnitt, unterrichteten ihn in der deutschen Sprache und integrierten ihn in ihre Gemeinschaft. Er lief die ganze Zeit auf dem Dorfplatz der SS vor der Nase herum. Und die dummen Arier haben es bis zuletzt nicht geschnallt. Einmal zwar wurde mein Opa von einem Staffelführer danach gefragt, wer dieser fremde Mann sei. Mein Opa aber zuckte nur mit seinen Schultern und sagte mit einem selbstverständlichen Tonfall: »Gustav. Mein Vetter zweiten Grades. Er hat in Berlin bei einem Bombenhagel das Gehör verloren. Daher auch seine verwaschene Aussprache.«
»Ah ja«, antwortete der Arier und zog sich wieder zurück in seine beißwütige Truppe.

Im Jahr 1945 ging der Krieg zu Ende und es kamen die Besatzer. An dem Tag und zu der Stunde, als die Amerikaner in das Dorf einmarschierten, saßen meine Großeltern zusammen mit ihren Töchtern und den Verwandten in der Küche. Mit einem laut bedrohlichen Klopfen machte ein amerikanischer Captain an der Haustüre auf sich aufmerksam, um darauf hin direkt und ungebeten das Haus zu betreten. Er betrat die Küche und sogleich erkannte er, was hier vor sich ging. Er zog seinen Helm vom Kopf, stellte sein Gewehr im Flur ab, bekreuzigte sich und begab sich in die Versammlung, die meine Großeltern hier abhielten. Zusammen sangen sie mit dem Captain christliche Lieder, lasen aus der Bibel, beteten das ‚‚Vater Unser‘‘ und lobpreisten den Herrn.

Natürlich machten sich die Menschen in dem Dorf, aber auch in der gesamten Umgebung Sorgen um die Kontrollen der Amerikaner. Ein jeder Mann wurde in deren Büro beordert. Hier sollte festgestellt werden, ob und wer dem Hitler zu Diensten war. Der Captain aber, der zuvor mit meinen Großeltern betete, hatte unlängst erkannt, dass von den gemeinen Menschen in dem Dorf keine Gefahr ausging. So reduzierten sich diese Kontrollen bei den Männern in dem Dorf auf eine einfache und kurze Anhörung. Die strengen Verhöre blieben aus. Als dann noch bei den Amerikanern bekannt wurde, dass die Dorfgemeinschaft eine jüdische Familie versteckt hatte und überdies auch noch einem britischen Piloten das Leben gerettet hat, konnten die auch noch letzten Verdachtsmomente restlos und spielerisch aus der Welt geräumt werden.

Die jüdische Familie überlebte die Schreckenszeit des Dritten Reiches dank der Dorfgemeinschaft, ohne selber einen seelischen oder körperlichen Schaden davon tragen zu müssen. Sie blieben in Deutschland. Weil sie es trotz all der Gräuel gegen ihre Glaubensgeschwister als ein Land mit guten Menschen erfahren durften.
Der britische Pilot kehrte zurück in sein Heimatland und blickte mit Erstaunen und Dank zurück auf die Menschen in diesem kleinen reichsdeutschen Dorf, die ihm mehrmals das Leben gerettet haben. Das erste Mal nach dem Absturz und in dessen Folge ebenso vor der SS. Er heiratete, bekam mit seiner Frau vier Kinder und wurde über achtzig Jahre alt.

Im Jahr 1999 besuchte ich in Aachen die Wanderausstellung: »Verbrechen der Wehrmacht.«
Bereits im Eingang an dem Treppenaufstieg waren die Wände vollplakatiert mit Titelbildern arisch-deutscher Magazine und Zeitschriften aus der Zeit der Hitlerdiktatur. Bereits hier wurde auf die Kernbotschaft dieser Ausstellung mit aller Macht hingewiesen.
Die unzähligen Fotos, die mir dann als geschichtslernenden Nachwuchsdeutschen zugemutet wurden, ließen nur einen einzigen Rückschluss zu. Alle Deutsche waren Verbrecher, jeder wusste um die Gräuel der Wehmacht, jeder war ein Nazi, jeder hat mitgemacht oder es zumindest zugelassen.

Einzig auf Basis einer derartigen Geschichtsverzerrung entstand das Axiom von einer Kollektivschuld.

Aber Halt, Stopp. Was heißt hier Kollektivschuld? Die Geschichte, die ich zuvor erzählt habe, ist wahr. Und mit Sicherheit ist dies keine Einzelgeschichte. Vielmehr eine von unzähligen aus dem Deutschland der Jahre 1933 bis 1945. Überdies war all den Menschen in dem Dorf zwar die judenfeindliche Politik der Hitlerdiktatur bekannt. Von dem uns heute bekannten Holocaust indes wussten die Menschen in diesem Dorf zur damaligen Zeit überhaupt nichts. Ebenso verhielt es sich mit dem Warschauer Getto und all den anderen Verbrechen, wie sie uns heute durch einen Guido Knopp und dessen Gesinnungskumpanen noch immer in das Kollektiv als Schuldbekenntnis einprogrammiert werden. Dass all diese Gräuel in unserem Bewusstsein wach gehalten werden müssen, ist rechtens und dagegen ist nichts einzuwenden. Dieses aber mit dem Charakter einer Kollektivschuld auch heute noch zu verknüpfen und uns aufzuladen, ist gleichbedeutend damit, dem deutschen Volk das Rückgrat zu brechen.

Denn eines muss endlich gesagt werden. Eine Kollektivschuld gibt es nicht. Dafür aber eine Kollektivverantwortung. Dafür, dass von deutschem Land und Boden Frieden und Freiheit ausgehen. Frieden für die ganze Welt, Freiheit für jede einzelne Seele. Und sind wir doch einmal ehrlich und blicken auf die vergangenen Jahrzehnte in unserem Land zurück. Dieser Verantwortung ist das deutsche Volk schon mehr als tausend Mal gerecht geworden. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass wir, die Deutschen, im Jahre 2006 Weltmeister der Herzen waren? Wenn es auf der ganzen weiten Welt eine Nation, ein Volk gibt, das aus seiner Vergangenheit selbstkritisch gelernt hat und als glaubwürdiger, geläuterter Mahner andere Nationen belehren darf, dann die Deutschen, die hierin eine geschichtlich einzigartige Vorbildstellung einnehmen. Daher - lass Dir nicht einreden ein Nazi zu sein, nur weil du dich getraust, entgegen des dummblökenden Mainstreams den Mund aufzumachen und die Dinge bei ihrem wahren Namen nennst.

Denn wir haben die Verantwortung dafür, dass niemals mehr Faschismus, ganz gleich in welchem Gewand und unter welchem Namen, auf deutschem Boden oder sonst wo auf der Welt geduldet oder gar gefördert wird.

ABER. Hat das deutsche Kollektiv aus alle dem wirklich diese Lehre gezogen?
Ich befürchte, nein.
Wieso?
Na, dann schau dir doch einfach mal den Zustand unseres Landes heute an. Angefangen bei dem derzeit kommissarisch geführten Bundestag, weiter über den Zerfall unserer Kultur nebst Verleugnung unserer völkischen und spirituellen Identität, was von unseren Politikern, den Einfallspinseln in den deutschen Redaktionsstuben sowie den Kirchenobersten gefördert wird - Selbiges gilt in weit größerem Maße für die mehrfache Spaltung des Volkes, die durch vorgenannte Vaterlandsverräter betrieben und auch vorangetrieben wird.
Wie sich der moderne Faschismus heutzutage gewandet, darauf werde ich in einem späteren Folgeartikel detailliert eingehen. Sei aber an dieser Stelle gesagt. Damals zeichnete sich der Faschismus durch ein verkehrtes Verständnis zur Vaterlandstreue aus. Heute ist es die Vaterlandsverleugnung, durch die der Gesinnungsfaschismus seine hässliche Fratze abermals zeigt und die deutsche Volksseele zersetzt und spaltet. Hierin tonangebend und federführend: Angela Merkel.

Dann aber, wenn das Deutsche Volk heute nicht endlich damit beginnt, gegen diesen Faschismus aufzubegehren, dann erst darf und muss von einer Kollektivschuld der heute lebenden Generation gesprochen werden. Obwohl ich mich dann entspannt zurücklehnen und hiervon ausnehmen werde.

Ich jedenfalls bin stolz darauf, eine Familiengeschichte erzählen zu können, die zum Zeugnis hat, dass dem Faschismus auch in Zeiten der Drangsal im Rahmen des Möglichen Widerstand geleistet werden kann. Und ja, ich werde diese Familientradition fortführen. Ganz besonders in unserer heutigen Zeit, da sich die düstere Geschichte unseres Landes schon längst begonnen hat, zu wiederholen.


So Elvis. Ich habe vorerst fertig. Übernehme.


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