Freitag, 7. November 2014

Operation Gesichtsbuch - Codename f

Schlaftrunken schlurft Eduard den Korridor entlang. Gähnend, mit müdem Blick und zerzausten Haaren. Den Lichtschalter suchend, murmelt er vor sich hin: »Das kann doch jetzt nicht wahr sein!«
Mitten in der Nacht um 3.33 Uhr aus dem Schlaf gerissen - und das an seinem Geburtstag.
Das grell wirkende Licht der 15 Watt Birne dringt in seine Augen. Noch ein wenig unkoordiniert in seinen Bewegungen, sucht er nach dem Gürtel seines übergroßen Morgenmantels und schlüpft in die plüschigen Meerschweinchenpantoffeln. Ein altes, aber gepflegtes Souvenir seiner Oma, mitgebracht aus einem ihrer Urlaube in Österreich. Die Treppe herunterstolpernd erreicht er schließlich die Türe, die er lediglich einen Spalt weit öffnet, um erst einmal zu sehen, wer sich erdreistet seinen seligen Schlaf zu stören. Verwundert blickt Eduard drein, da er im Dunkel des Hauseingangs eine Schattengestalt erblickt. Gekleidet mit einem Trenchcoat, ein tief ins Gesicht gezogener Schlapphut auf dem Kopf, eine markante Sonnenbrille auf der Nase, buschiger Vollbart, einen großen Aktenkoffer in der Hand. In seinem Vorhaben etwas zu sagen, atmet Eduard tief ein, jedoch kommt ihm der Unbekannte zuvor.
»Guten Tag, Herr Schneebau. Mein Name ist Mr. Smith. Ich bin vom Geheimdienst ASN. Wir führen zu ihrer Sicherheit eine Operation durch. Kennname ‚Gesichtsbuch‘ oder Codename ‚f‘. Ich benötige einige Informationen über sie und komme jetzt herein!«


Noch während Eduard ein fragendes »B ... bb ... bbb ... bitte« stottert, macht Mr. Smith drei große Schritte an Eduard vorbei, hinein in den Hausflur, flüchtig seinen Dienstausweis zeigend. Mit Blick auf die Fotogalerie im Treppenhaus stellt er sogleich fest: »Sehr schön. Ihre Familie?«
»Äh ... äh ... ä ä ä ä äh. Äh ja!« Gleichwohl Eduard sich durchaus verwundert und irritiert über das Auftreten dieses Herrn zeigt, geht er dennoch die Treppe voran, bittet Mr. Smith höflich ihm zu folgen, bei jedem Foto wie selbstverständlich erklärend: »Meine Eltern, mein Bruder, meine Schwester, meine Großeltern mütterlicherseits, meine Großeltern väterlicherseits, Tanten, Onkels, Cousinen, Neffen, Nichten, meine Exfrau, unsere Kinder!« 

Mit einem kleinen Fotoapparat in der Hand folgt ihm sein nächtlicher Gast, jedes dieser Wandbilder aufnehmend. »Die Namen können sie mir ja nachher noch nennen. Zum Datenabgleich. Verstehen sie?«, sagt er derweil mit vertrauenserweckender Stimme. Wie selbstverständlich fügt er zuletzt an: »Einen Kaffee!«
»Wie sie wollen«, entgegnet ihm Eduard mit einladender Geste: »Fühlen sie sich ganz wie zu Hause!«
In der Küche angekommen, bereitet Eduard den Kaffee: »Vielleicht auch ein paar Schnittchen?«, fragt er höflich.
»Ahäm, danke nein«, antwortet Mr. Smith, »Ich hatte gerade eben erst eine wilde Brünette. Sie verstehen!« Sich als Einziger von beiden über seinen Schenkelklopfer amüsierend, legt er Mantel und Hut ab, setzt sich an den Tisch, den Aktenkoffer langsam öffnend. Jedoch so, dass Eduard keine Gelegenheit erhält, den Inhalt des Koffers in Augenschein nehmen zu können.
Momente des Schweigens. Einzig das Gluckern der Kaffeemaschine und merkwürdige Klackergeräusche aus dem Agentenkoffer sind zu hören.
Schließlich fragt Mr. Smith: »Name? Position?«
»Eduard Schneebau! Postbote!«
»Das weiß ich doch. Ich meine die Namen und die jeweiligen Zuordnungen ihrer Familienangehörigen. Wegen des Datenabgleichs!«
»Ach so«, stellt Eduard fest und gibt im Folgenden brav die gewünschten Informationen.
»... und zuletzt meine Exfrau und meine Kinder. Gesine Dübel, geborene Obst, jetzt verheiratet mit Gunnar Dübel. Meine Tochter Ludmilla Schneebau und mein Sohn Hilger Schneebau. Milch und Zucker?«
Schweigend nimmt Mr. Smith letzteres Angebot an sowie die vorherigen Informationen entgegen, einzig von diesen merkwürdigen Klackergeräuschen begleitet.
Schließlich durchbricht der Agent die Stille: »Sehr schön. Also, ihr Name ist Eduard Schneebau, geboren am 1. Juli 1966 um 3:33 Uhr in Offenbach, Hessen, Taunus - im örtlichen Kreiskrankenhaus als Sohn von Helmut Schneebau und Gretel Schneebau, geborene Semmel. Glückwunsch zu ihrem heutigen Geburtstag. Sie sind seit 4 Jahren geschieden und alleinstehend. Abitur im Jahre 1986, Ausbildung zum Postangestellten mit Abschluss im Jahre 1989. Seit dem 1. September 1989 sind sie durchgehend als Postbote beschäftigt, Steuerklasse 3, Bruttolohn 1850,47 Euro. Ihre Urlaube nehmen sie im Februar, August und November. Sie haben regelmäßigen Kontakt zu ihren Kindern, nur gelegentlich zu ihrer Exfrau. Sie leben im elterlichen Haus, während ihre Eltern im Altersheim wohnen. Sie haben ein sauberes Führungszeugnis, sind noch nie straffällig geworden, bisher drei Strafzettel wegen Falschparkens - immer sofort bezahlt. Vorbildlich. Sie fahren derzeit einen VW-Golf Diesel, Baujahr 1991 und in der Kantine entscheiden sie sich ein jedes Mal für Dampfnudeln mit heißem Pflaumenmus, wenn dies auf dem Speiseplan steht. Das alles wissen wir bereits über sie. Nun brauche ich weitere Informationen von ihnen!«
»Sehr gerne«, gibt Eduard zu verstehen, möchte aber dann doch all zu gerne wissen: »Und wozu?«
»Das geht sie nichts an. Ist ein Geheimnis. Andernfalls wäre ich ja auch nicht vom Geheim-, sondern vom Transparenzdienst«, scherzt Mr. Smith.
Kurz überlegt Eduard, dann aber, mit erleuchtet erhobenen Zeigefinger lacht er: »Aaaaaah ha ha ha, der war gut. Ich begreife. Also schön. Dann schießen sie mal los!«
»Besitzergreifende und gewaltgeprägte Wortwahl. Sehr interessant«, murmelt Smith unverständlich vor sich her. Wie in diesem, so auch in den folgenden Fällen, immer wieder von den Klackergeräuschen aus seinem Agentenkoffer begleitet. »Ich stelle ihnen im Folgenden einige Fragen zu ihren Interessen und Vorlieben. Sie antworten spontan, ohne groß nachzudenken. Sie sind damit einverstanden!«
»Okay!«
»Lieblingsmusik und Interpret?«
»Hardrock - AC/DC!«
»Lieblingsfilm?«
»Love Story von 1970 mit Ali MacGraw und Ryan O‘Neal!«
»Lieblingsbuch und Autor?«
»Friedhof der Kuscheltiere - Stephen King!«
»TV-Serie?«
»Mondbasis Alpha 1 - von 1975 bis 1978 mit Martin Landau, Barbara Bain, Barry M...«
»Schon gut. Habe ich gefunden«, unterbricht ihn der Agent.
[Klacker, klacker, klacker]
»Was meinen sie mit gefunden?«, fragt Eduard neugierig.
Doch Smith entgegnet erwartungsgemäß: »Geht sie nichts an. Geheim. Weiter im Text. Lieblingsreiseziel?«
»Österreich, Wien!«
»Durchschnittliche tägliche Fernsehdauer?«
»Drei Stunden!«
»Hobbys?«
»Feuerwerksböller basteln und Gartenarbeit!«
»Soso. Sehr interessant. Wo gehen sie ihre Lebensmittel hauptsächlich einkaufen?«
»ALDI!«
»Treiben sie Sport?«
»Na hören sie mal. Ich fahre täglich mit dem Fahrrad die Post aus!«
»Bitte keine Erklärungen oder Rechtfertigungen. Rückschlüsse ziehen wir unsere eigenen. Also, Herr Schneebau. Treiben sie Sport?«
»Nein!«
»Besitzen sie Waffen? Pistolen, Gewehre, Armbrust, Degen, Kampfmesser, Panzerfaust oder Ähnliches?«
»Nein!«
»Halten sie sich öfters, gelegentlich, hin und wieder oder auch nur selten grundlos auf öffentlichen Plätzen auf?«
»Hä, wie alles jetzt? Nun, also nein! Oder naja, vielleicht hin und wieder. Kommt sicher schon mal vor!«
»Üben Sie einen Kampfsport aus?«
»Nur Hallenjojo!«, lacht Eduard. Doch muss er sogleich feststellen, dass sein Gegenüber zu derartigen Scherzen nun überhaupt nicht aufgelegt ist, da dieser nüchtern mit seinen Fragen fortfährt.
»Wie häufig konsumieren sie Alkohol und wenn ja, welchen?«
»Nun, jeden Abend ein bis zwei Biere. Am Wochenende gerne auch mal etwas mehr. Wein mag ich nicht. Sekt hin und wieder. Gerne auch mal einen Likör oder Schnaps!«
»Likör, Wert 3 ... Schnaps, Wert 3«, murmelt Smith und klackert in seinem Koffer, bevor er weiter seine Fragen stellt.
»Welches ist ihr Lieblingsbier?«
»Immer das nächste«, lacht Eduard.
»Herr Schneebau«, brüllt ihn Smith an, »Ich sage es ihnen ein letztes Mal. Das hier ist keine Spaßveranstaltung. Es geht um Leben und Tod. Ihrem Tod. Sie haben verstanden - also kooperieren sie!«
»Ja - gut«, schmollt Eduard und fügt an, »Kölsch!«
[Klacker, klacker, klacker]
»Jemals Suchtprobleme mit Alkohol gehabt?«
»Nein, niemals!«
»Nikotin?«
»Gelegenheitsraucher!«
»Drogen?«
»Keine«, antwortet Eduard spontan.
Mit durchdringendem Blick heischt ihn der Agent an: »Ich warne sie, Herr Schneebau. Sie haben hier und jetzt die Gelegenheit mir die Wahrheit zu berichten. Sollte sich herausstellen, dass sie die Unwahrheit sagen, wird sich das in ihrer Akte nicht gut machen. Daher frage ich sie noch einmal. Drogen?«
»Ich sagte doch. Keine. Aber nun gut. Früher, da habe ich mal an einem Lagerfeuer zusammen mit meinen Freunden einmal an einem Joint gezogen. Also ich meine, diese Dinger mit Haschi...«
»Ich weiß, was ein Joint ist. Sie brauchen mich nicht zu belehren. Wer waren diese Freunde?«
»Gustav Lehmann, Lotte Meier, Richard Wagner - Spitzname Tannhäuser, ha ha ha, und Anne Marie Freilinger! Ach, und die Jana Lasker war auch mit dabei!«
»Wie oft in der Woche haben sie Sex?«
»Ich bin alleinstehend. Also keinen!«
»Selbstbefriedigung?«
»Äääh ... nun hin und wieder!«
»Wie oft?«
»Also bitte, Mr. Smith. Das geht sie nun wirklich nichts an!«
Doch Smith kennt keine Kompromisse: »Herr Schneebau. Ich fordere sie letztmalig auf, meine Fragen ordnungsgemäß und freiwillig zu beantworten. Also. Wie oft?«
»Na gut. Etwa dreimal!«
»Täglich? Wöchentlich?«
»Monatlich«, schämt sich Eduard.
»Bordellbesuche?«
»Nein!«
»Derartiges in der Vergangenheit?«
»Äääh ... einmal!«
»Wann, mit wie vielen Partnern, Dauer!«
»Ähhh ... vor drei Jahren. Mit einem! Etwa 20 Minuten!«
»Männlich, weiblich, tierisch - ungefähres Alter?«
»Weiblich, natürlich. Etwa 25 Jahre!«
»Konfession christlich katholisch! Richtig?«, fährt Smith mit seiner Befragung fort.
»Richtig!«
»Bitte ausfüllen und unterschreiben!« Smith reicht ihm  ein Dokument. Eduard liest sich kurz durch, was unter der Überschrift 'Befreiung vom Beichtgeheimnis von Eduard Schneebau für Herrn Pfarrer __________' geschrieben steht, um darauf hin dieses auszufüllen, zu unterzeichnen und an Smith zurückzugeben.
»Hausarzt?«
»Dr. Franz Masergrippe!«
Wiederum reicht ihm der Agent ein Dokument zur Unterschrift, diesmal mit dem Titel 'Befreiung vom Arztgeheimnis'. Gleiches folgt mit den Fragen zu seinem Zahnarzt, Urologen, Rechtsanwalt und seinem Geldinstitut.
Erneut klackert es im Koffer von Mr. Smith. Schließlich reicht er Eduard weitere Dokumente mit den Worten: »Im Folgenden bitte ich sie, mir diese Listen auszufüllen, während ich mich in ihrem Haus einmal genauer umschaue!«
Auch diese Dokumente nimmt Eduard ohne weitere Fragen entgegen, jedoch mit einem kurzen Blick auf die Uhr, sagend: »Entschuldigung. Es ist schon Viertel vor fünf und müsste gleich zur Arbeit. Dauert das noch lange?«
»Da machen sie sich mal keine Sorgen, Herr Schneebau. Ich vergaß ihnen mitzuteilen, dass sie bei ihrem Arbeitgeber für heute Vormittag entschuldigt sind!«
»Heute Vormittag? Wie lange soll die Befragung denn noch andauern?«, staunt Eduard.
»Nun, es dauert so lange, wie es eben dauert. Verstanden?«
»Wenn sie es meinen. Nun gut!« So fügt sich Eduard bereitwillig, beschaut sich die Dokumente, welche er als Nächstes ausfüllen möchte, und murmelt derweil vor sich hin: »Liste aller meiner Bücher, Musik, Filme, Spiele (BEI ALLEM SIND DIE REGISTERNUMMERN ANZUGEBEN), Sammlungen, Wertgegenstände (Uhren, Schmuck, Gold, Silber, Diamanten etc. - BEI ALLEM DEN JEWEILIGEN WERT ANGEBEN), Hausinventar. BEI ALLEM IST DAS JAHR DES EINKAUFES ANZUGEBEN!, Liste aller meiner Freunde, Bekannten, Kollegen mit Adresse und Telefonnummer sowie die Angabe über den Zeitraum des Bestehens des jeweiligen Kontaktes!«
Während nun Eduard alle gewünschten Informationen zusammenschreibt, schaut sich Agent Smith in dem Haus gründlich um, den Aktenkoffer mit sich führend.
»Sind das hier alle ihre Fotoalben?«, ruft ihm Smith aus dem Wohnzimmer zu.
»Ja ... äh nein. Da sind noch zwei Familienalben in dem Arbeitszimmer!«
»Arbeitszimmer?«, fragt der Agent aufdringlich. »Wofür benötigen sie ein Arbeitszimmer? Sie sind doch Angestellter. Gehen sie etwa einer Nebentätigkeit nach, von der ich noch nichts weiß?«
»Nein«, beruhigt ihn Eduard. »Das ist ... das war das Zimmer meiner Exfrau. Sie war ... sie ist selbstständige Vertreterin. Ich habe es nur noch nicht umfunktionalisiert!«
»Aha! Und ihre Privatvideobänder? Wo finde ich diese?«
»Äh, die sind im mittleren Wohnzimmerschrank, untere rechte Schiebetür hinten links, oberes Fach, dritte Schublade!«
»Aha!«
Während Eduard brav die Formulare weiter ausfüllt, hört er Geräusche aus der Richtung von Agent Smith. Zum einen weiterhin dieses geheimnisvolle Klackern, jedoch auch eigenartige Summgeräusche gepaart mit merkwürdigen Lichteffekten - allesamt aus dem Koffer stammend. So vergeht eine weitere Stunde, bis Eduard die Listen fertiggestellt hat und der Agent sich wieder zu ihm gesellt, sagend: »So, das hätten wir auch!«
»Was hätten wir?«
»Nun, ich habe mir von allen ihren Fotos und Filmen eine Kopie gemacht. Ebenso habe ich alle ihre Privaträume im Detail fotografiert!«
»Ah ja. Gut«, versteht Eduard und fügt an: »Und? Sind wir jetzt fertig?« Mit hoffendem Blick reicht er seinem Agenten die ausgefüllten Dokumente.
Dieser beschaut sich die Listen und stellt fest: »Wie, Herr Schneebau? Keine Pornos?«
»Öööh ... Nö«, antwortet Eduard unsicher.
»Na, dann folgen sie mir einmal«, fordert ihn Smith auf und führt ihn zu dem Wohnzimmerschrank. »Die mittlere Schiebetüre ist verschlossen. Öffnen sie diese!«
»Ach, Mr. Smith. Muss das jetzt wirklich sein?«, versucht sich Eduard herauszuwinden. Doch der Agent kennt keine Ausnahme und wiederholt seine Aufforderung. Letzten Endes erkennt Eduard, dass ihm keine andere Wahl bleibt, öffnet die Schranktüre und tritt zuletzt auf Anweisung des Agenten zur Seite.
»Wusste ich es doch, Herr Schneebau. Na mal sehen, was wir in ihrer Pornosammlung so alles finden!«
Stumm und verschämt wohnt Eduard der ihm peinlichen Offenbarung bei. Immer mal wieder entfährt Smith ein kurzes »Ei jei jei« oder »Boa eih« aber auch »Mein lieber Herr Schneebau!«
Nachdem sich Agent Smith nun auch über dieses sehr delikate und äußerst private Kapitel in Eduards Leben kundig gemacht und dieses in seinem Koffer verzeichnet hat, stellt er fest: »Nun, Herr Schneebau. Ich denke, damit habe ich von ihnen so weit alles, was ich derzeit benötige. Außer einer Sache!«
»Und die wäre?« Eduard schaut fragend drein.
Doch anstatt ihm direkt eine Antwort zu geben, eilt Mr. Smith die Treppe herunter zur Haustür, öffnet diese und ruft: »Jungs, ihr könnt rein kommen!«
Mit drei seiner Kollegen betritt er anschließend wieder das Wohnzimmer und erklärt: »Das sind meine technischen Mitarbeiter Mr. Smith, Mr. Smith und Mr. Smith. Es dauert nicht lange. Die werden lediglich in jedem ihrer Zimmer kleine Filmkameras installieren!«
»Kameras?«, fragt Eduard, »Und was soll mir das bringen?«
»Oh nein. Nicht ihnen«, fährt der Agent fort, »Die Aufnahmen der Kameras werden über ihre Telefonleitung direkt in unsere Zentrale gesendet. Dort zeichnen wir zu ihrer und unserer Sicherheit in Bild und Ton alles auf, was sich hier in ihren vier Wänden abspielt!«
»Ach«, staunt Eduard, »Und so etwas geht?«
»Ja!«, versichert ihm der Agent nüchtern.
»Boah. Ihr habt es echt drauf. Hut ab«, lobt Eduard die fortschrittliche Technologie des Geheimdienstes.
»Ach, und bevor ich es vergesse«, fährt der Agent fort und reicht Eduard ein winzig kleines Gerät. »Bitte tragen sie dieses hier ab sofort immer mit sich herum. Ist zu ihrem eigenen Schutz!«
»Und was ist das?«
»Nun, so was in der Art wie ein Funkgerät. Einmal können wir damit alles hören, was sie sagen. Zum anderen wissen wir hierdurch immer, wo sie sich aufhalten. Wie gesagt. Dient nur zu ihrem Schutz!«
»Danke!«, staunt Eduard und steckt sich das Gerät sogleich in die Tasche. Doch Agent Smith erklärt ihm, dass er es als Armband tragen möge, so er nicht vergesse, es immer mit sich zu führen.
»Ah. Ich verstehe. Sehr praktisch. Vielen Dank noch einmal!«

Während die Techniker nun dabei sind, Eduards Haus zu verkabeln, nutzt Agent Smith die Gelegenheit noch einen Kaffee zu trinken. Bevor er Eduards Nachbarn in selbiger Mission einen Besuch abstatten wird.
Immer noch beeindruckt von der ganzen Aktion, will Eduard dennoch ein letztes Mal versuchen herauszubekommen, was das ganze nun zu bedeuten hat. Also verstrickt er den Agenten zunächst in ein oberflächliches Geplänkel. Zuletzt aber fragt er: »Nun sagen sie schon. Was bringen ihnen und der Behörde diese ganzen Informationen. Jetzt haben sie das alles auf Papier, legen das in irgendwelche Aktenordner ab. Ich meine, wer kann sich an all das, was ich ihnen heute mitgeteilt habe, später noch erinnern?«
Doch Agent Smith ist auf derartige Fragen vorbereitet und dafür ausgebildet. Sicher, er könnte durchaus versuchen, ihm Lügen aufzutischen. Doch weiß er auch, dass wenn ihm sein Gegenüber diese nicht glauben wird, er in Erklärungsnot käme. Daher entscheidet er sich dazu, Eduard einfach die Wahrheit zu sagen. Eine, die zuletzt so oder so unter die Kategorie Verschwörungstheorie fiele.
»Wissen sie, Herr Schneebau. Wir tragen sämtliche Informationen nicht in Papierform zusammen. Wir machen das anders. In unserer Geheimzentrale, da haben wir eine riesengroße elektronische Rechenmaschine. Damit meine ich nicht so etwas wie einen einfachen Taschenrechner. Nein, vielmehr eine Maschine, in die wir alle gesammelten Informationen in Schriftform, Bild, Film und Ton eingeben. Hierin können wir all das wie in einem Karteikasten bewahren und auswerten. Alle Informationen werden dort in einem Register verzeichnet, sodass wir auf alles was wir wissen wollen, binnen weniger Sekunden zugreifen können. Das heißt, wenn ich nun in Erfahrung bringen will, wer von allen Menschen in dieser Stadt, so wie sie, geschieden ist, zwei Kinder hat, von Beruf Postbeamter ist und dreimal im Monat masturbiert, dann gebe ich diese Kriterien in die Rechenmaschine ein. Nach wenigen Sekunden erhalte ich alle Namen nebst dazugehörigen Informationen. Und das nicht auf einem Stück Papier, sondern auf einem Gerät, ähnlich ihrem Fernseher. Und all das dient ihrer Sicherheit! Das müssen sie mir einfach mal so glauben!«
Kurz zögert Eduard, überlegt hin und her. Dann aber fällt bei ihm der Groschen. Mit einem belustigenden Lachen meint er schließlich: »Mein lieber Herr Agent. Fast hätten sie mich dran gekriegt. Elektronische Rechenmaschine. So etwas gibt es doch nicht. Mir versuchen, so einen Bären aufzubinden. Aber ich verstehe schon. Geheim-, nicht Transparenzdienst. Ha ha ha. Nun denn, dann will ich auch nicht weiter nachfragen. Ich denke, aus ihnen ist eh kein Sterbenswörtchen Wahrheit herauszubekommen. Oder etwa nicht?«
»Sie sagen es, mein lieber Herr Schneebau!«

Keine zehn Minuten später verabschiedet sich Agent Smith und verlässt zusammen mit seinen Technikern das Haus von dem glücklichen und sich nun endlich in Sicherheit wähnenden Eduard Schneebau. Sicher, vor was auch immer.
Wieder mit sich alleine kommt Eduard bei Kaffee und Zigarette ins Grübeln.
»Was für ein eigenartiger Besuch. Mit so etwas hätte ich ja im Leben nicht gerechnet. Aber wie gut, dass sich der Staat um seine Bürger kümmert. Was alles hätte mir zustoßen können, hätte mich Agent Smith nicht aufgesucht? Ich glaube, ich selbst wäre von mir aus niemals auf den Gedanken gekommen, denen all diese Informationen über mich freiwillig zur Verfügung zu stellen. Oder etwa doch? Na, wie gut, dass die mitdenken! Operation Gesichtsbuch, Codename f. Sehr gut! Elektronische Rechenmaschine - ha ha ha!«