Samstag, 19. September 2015

Ein Sommermärchen

Es war einmal in einem weit entfernten Land, da lebte eine Königin. Die Königin hatte einen Namen, für den sie sich ach so sehr schämte. Denn sie hieß Ferkel. Und noch mehr schämte sie sich für ihr Aussehen. Denn sie war ja so was von hässlich, dass ihr SPIEGEL schwindeln musste, und ihr ein gelogenes BILD zeigte. Dieses schmeichelte der Königin doch so sehr, auf dass sie gebot, in ihrem ganzen Lande dürften nur noch solche Spiegel hängen.
»Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist die Schönste im ganzen Land?«
»Uh«, erschauderte sich der Spiegel und log, »Ihr, Frau Königin, seid die Schönste hier. Aber bitte, bitte, bitte. Nicht noch einmal fragen«, flehte er weinerlich, »Sonst zerspringe ich vor lauter ... vor lauter ... vor lauter .. Ecke ....«
»JAAAA?«, mahnte die Königin.
»Äääh ... vor lauter Selbstmitleid, weil ich nicht selbst deine strahlende Schönheit bin! Puh Tirili!«
»Du sagst es, mein lieber Spiegel. So soll es geschrieben stehen«, ergoss sich die Königin in Lob, »Du machst dich wahrhaft verdient um mein Königreich!«
»Ja«, jammerte der Spiegel in sich hinein und schwieg die Wahrheit weiter aus.

Ihr Volk aber schämte sich für seine Königin nicht. Denn die Menschen in ihrem Land waren voll des Edelmuts, der Güte und der Liebe. Zueinander gleichwie zu jedem Fremden also auch zu ihrer Königin. Das Volk schaute einzig auf das Herz. Es dichtete und sang die schönsten Lieder auf das Herz der Königin. Denn das Herz der Königin war gut. Dachten sie zumindest. Denn sie alle wurde betrogen. Von ihrer Königin. Denn der Königin ihr Herz war in Wahrheit ein kalter Stein - voll der Falschheit, der Bosheit, der Raffgier, des Hochmuts und der Lüge. Dies jedoch erkannte das Volk nicht, denn auch das Volk erschaute zuletzt einzig nur der Königin ihr erlogenes SPIEGEL-BILD.


So gingen ungezählte Jahre ins Land. Das Volk lebte glücklich, zufrieden und in großem Wohlstand. Nicht, weil wenige von ihnen viele Taler unter ihrer Bank versteckten, die diese dann nach Gutdünken gegen hohen Zins hätten verleihen können. Nein, mit Nichten. Sondern, weil ein jeder von ihnen genug Taler für sich und seine Familie im Säckel hatte.
Die Menschen feierten viele Feste, einfach nur deshalb, weil sie Spaß daran hatten. Ihre Familien waren groß, ein jedes Ehepaar hatte wenigstens fünf Kinder. Ein jedermann und eine jedefrau hatten ihre Arbeit. Es mangelte ihnen allen an nichts. Es herrschten Friede und Wohlgesang.

Die böse Königin aber, hoch oben auf dem Berg in ihrem großen, prunkvollen Schloss, schaute voll des Neides von ihrem Pyramidenthron herab auf ihr glücklich liebendes Volk.
»Ach herrweh«, jammerte sie für sich allein, »Schau es dir an, mein glücklich Volk. Wie schön, wie sauber, wie reich und wohlerzogen sie alle sind. Was ist mein Volk doch so freudig und singen so tolle Lieder. Ich aber so allein in meinem Gram? Kann niemand von ihnen mich leibhaftig erschauen? Nein. Sie alle würde es vor meinem wahren Anblick erschauern!«
Wie wahr, wie wahr!!!
Ja, Königin Ferkel war sehr, sehr unglücklich. Wohl hatte sie einen Ehegatten. Dieser aber traute sich auch nach vielen Jahren noch immer nicht, ihr gegenüberzutreten, geschweige denn, die Ehenacht zu vollziehen. Weil sie ja so hässlich war. Ihre Dienerschaft selbst durfte ihr nur mit tiefster Verbeugung und dem Blick zu Boden geneigt gegenübertreten. Auch nur ein kurzes Blinzeln auf ihr wahres Antlitz bedeutete den sofortigen Tod. Die Königin erkannte, dass ihr erlogenes Spiegelbild sie einsam machte.

So ersann die Königin eine Lösung für ihr Problem. Weil sie aber ein Herz aus Stein hatte und daran auch nichts ändern wollte, geriet ihr Denken auf schiefe Bahnen. Dieses nicht zum ersten Mal.
Des Nachts, allein in ihrem Schlafgemach, wandelte sie ruhelos auf und ab. Sie sprach zu sich: »Ich ertrag es nicht länger, dabei zuzusehen, wie froh und munter mein Volk seine Feste feiert. Wie können sie es wagen, derart glücklich zu sein, während ich allein und jammervoll an meinem schmachvoll Dasein leide. Wohl gehört zuletzt mir allein das gesamte Königreich. Doch eines ist es, was ich nicht besitze. Ich, ihre Königin, will des Volkes Herzensreichtum für mich allein. Das ist es, was ich haben will!«

Recht schnell erkannte Königin Ferkel, dass sie ihr Problem nicht alleine lösen konnte. Es sei denn, sie fände einen Verbündeten. Doch so sehr sie auch in ihrem ganzen Königreich Ausschau hielt, sie fand niemanden, der noch hässlicher war, als sie. Also sandte sie einen Boten aus. Zu dem mächtigen König Amabo. Dieser regierte das Reich, welches auf der anderen Seite des großen Sees gelegen war. König Amabo war der schlimmste König von allen.
Wohl war er nicht hässlich, aber auch nicht wirklich schön. Auch er ließ einen jeden sofort töten, der es wagte, Witze über seine riesengroßen abstehenden Ohren zu machen. Ebenso denjenigen, der es sich erlaubte, die Frau von König Amabo, Grund ihres maskulinen Körperbaus und ihres Adamapfels, einen Mann zu leugnen.
Das Volk von König Amabo war nicht derart kultiviert wie das Volk von Königin Ferkel. Obgleich dieses schon den einen oder anderen ruhmreichen Helden oder begnadeten Barden hervorgebracht hat, litten sie alle zuletzt doch an einer Überdosis patriotischer Naivität. Diese missbrauchte König Amabo im Geheimen für seine dunklen Umtriebe. Denn auch König Amabo hatte ein Herz aus Stein. Eines, das noch viel kälter, geiziger und bösartiger war, als das von Königin Ferkel. Das gefiel der Königin sehr, weshalb sie König Amabo auch um Hilfe bat.

»Oh mein mächtiger König Amabo«, sprach der Bote mit tiefster Verneigung, »meine Königin ersucht euch um euren Beistand. Denn eines ist es, was sie für sich allein besitzen will. Die Herzensgüte ihres Volkes. Um diese aber zu erobern, muss sie ihr Volk zuvor verderben, um hernach in ihrem eigenen Trugbild erstrahlen zu können. Hierfür erbittet sie eure Hilfe!«
»Wie wohl, wie wohl erklingt es in meinen Ohren«, ermunterte sich König Amabo, »Welch ein listiges, ja gar teuflisches Ansinnen wird mir hier vorgetragen. Ach Kinder, was ist das für ein schöner Tag!«

Sogleich befehligte König Amabo seinen Kriegsrat in seine Waffenkammer und ersann einen hinterhältigen Plan. Überdies kam ihm der Hilferuf von Königin Ferkel sehr gelegen. Denn schon seit langer Zeit suchte der geizige König nach einem Weg, wie er seinen lang gehassten Feind, König Malsi, bezwingen und gleichzeitig die Kriegslast einem anderen unter die Krone mogeln kann. Wohl war König Amabo der mächtigste unter allen Königen. Jedoch war es König Malsi, der um ein vielfaches reicher war als er. Denn dessen kleines Land strotzte voll der edlen Bodenschätze. Solche, die König Amabo zu seinem Machterhalt ein jedes Mal teuer einkaufen musste. Eben dies war ihm ein Dorn im Auge. Und nun, Grund des Hilferufes von Königin Ferkel, gelang es ihm endlich, einen Plan zu schmieden, dem König Malsi seinen Reichtum zu stehlen, ohne seine eigene Kriegskasse all zu sehr strapazieren oder die möglichen Folgen des Krieges erdulden zu müssen.

»Ja, ja - Geiz ist geil - wir führen Krieg«, waren die Worte, mit denen König Amabo seine Regierungserklärung eröffnete. Und sein steuergeplagtes Volk jubelte ihm voll des Freudeneifers auch noch zu: »Die Freiheit nimmst du uns!«

König Malsi hingegen erkannte recht schnell, unter welch hinterlistigen Umtrieben König Amabo und Königin Ferkel einen Pakt miteinander schlossen. Ebenso begriff er, dass er den bevorstehenden Krieg sofort verlieren würde, weil er nun mal mit seiner Kultur, ebenso mit seinem Kriegsgerät, um viele Jahrhunderte den Völkern von König Amabo und Königin Ferkel zurücklag. Einen Krieg verlieren - nein, das wollte er natürlich nicht. Also schmiedete er eine List.
Noch bevor die erste Kanonenkugel auf sein Land abgefeuert wurde, trat er im Geheimen an König Amabo heran. Er verriet und verkaufte an diesen sein eigenes Volk. Im Gegenzug versprach ihm König Amabo ein sorgloses Leben mit so vielen vollbusigen Weibern in seinem Schmachgemach, wie es ihm gelüstet.
Mit seinem Volk hatte König Malsi ohnehin ein leichtes Spiel. Schließlich waren sie alle von Kindesbeinen an dazu erzogen sich ungefragt, unreflektiert, unkritisch, willenlos und bedingungslos seinem König zu unterwerfen und diesen zu lieben - natürlich auch unter der Androhung von Todesstrafe, wenn sie dies nicht täten.
König bleibt König bleibt König.

Zurück in seinem Reich, dachte sich König Malsi im Geheimen: »Dieses dämliche Flapsohr Amabo. Denkt der wirklich, ich wollte mich ihm unterwerfen? ICH? IHM? Ha ha ha. Wollen doch mal sehen, wer von uns beiden der beste Listenschmieder ist. Ihn und seine Ferkel werde ich bezwingen. Aber erst einmal staube ich die Weiber ab. Hechel - hechel - hechel! Wedel - wedel - wedel!«

So also begann der furchtbare Krieg zwischen den Soldaten von König Amabo und König Malsi. Die beiden Könige hingegen zusammen mit Königin Ferkel nahmen Platz in ihren LOGEN und besahen sich munteren Gemüts das Schauspiel auf der Bühne, das sie selbst bereitet haben. Und so nahm das Unglück seinen Lauf.

In nur wenigen Monaten, es waren dreie an der Zahl, überrannte die Armee von König Amabo das Land von König Malsi. Letzterer sorgte natürlich dafür, dass seine eigenen Soldaten ein jedes Mal im Schlaf überrascht wurden und nicht kämpfen mussten. Denn eben dies gehörte zu seiner eigenen List. Schließlich durfte er zuletzt nicht all zu viele seiner Soldaten verlieren, da er sie für seinen geheim geplanten Feldzug später noch einmal brauchte.
Die Truppen von König Amabo wüteten wie die Bestien. Überall, wohin sie kamen, hinterließen sie Verwüstung, Gesetzlosigkeit, Dreck, Elend, Angst und Schrecken. Und als sei dies nicht genug, verstreuten sie über das gesamte Land ein schlimmes Gift, unter dem das Volk bitter zu leiden hatte. König Malsi hingegen vergnügte sich derweil in seinem geheimen Schmachgemach mit den ungezählten vollbusigen Blondinen, die er tagtäglich von König Amabo frisch geliefert bekam.

Noch während der furchtbare Krieg tobte, ereilte das Volk von Königin Ferkel dessen Kunde. Versammelt auf den Marktplätzen des Landes in allen Städten hörten die Menschen den Marktschreiern zu, was diese zu verkünden hatten.
»Oh Volk, höre zu. Ein entsetzlicher Krieg tobt in den Landen des Ostens. Leid und Elend, Krankheit und Tod, Folter und Mord erleidet das Volk von König Malsi. Durchaus waren einige wenige von ihnen nicht immer tugendhaft - besonders in den Monaten des Septembers, wie wir alle wissen. Jedoch das gesamte Volk für die Verfehlungen einer ihrer wenigen zu bestrafen, das geht entschieden zu weit. Eure edle und schöne Königin ersucht euch um eure Hilfe. Spende ein jeder seinen letzten Groschen für das Notleid in diesem Land!«
Weil ja das Volk von Königin Ferkel so herzensgütig war, leerten sie alle wie selbstverständlich ihre Talersäckel. Wofür ihre Taler jedoch Verwendung fanden, das durften sie nicht erfragen. Aber auch wollten sie es nicht. Denn schließlich vertrauten sie ihrer Königin bedingungslos. Hernach rühmten sie ihre Herzen und gingen wie gewohnt ihrem Alltag nach. Jedoch schnell erkennend, dass sie nun nicht mehr ausreichend Taler besaßen, mit denen sie die Brote auf ihren Tischen hätten bezahlen können. Also wandten sie sich an die wenigen ihrer Mitbürger, die noch ausreichend Taler unter ihrer Bank versteckt hielten. Diese verliehen ihr Geld gegen einen hohen Zins an das Volk. So dauerte es nicht lange und sie alle lagen in goldenen und silbernen Ketten.
Eben dies entsprach der List von Königin Ferkel. Denn sie war es, die unter ihrem Volk willige Bürger fand und diese mit ihrem Plan vergiftete, so dass sie die vom Volk hergegebenen Taler unter deren Banken hat deponieren können. Auch schloss sie mit diesen Betrügern einen Pakt, der besagte: »Haltet mein Volk am kurzen Bündel eurer Gunst gleich eurem Gutdünken. Ganz so, wie ich es euch gebiete. Hierdurch werdet ihr reich und mächtig, sofern ihr auch weiterhin meinen Befehlen gehorcht. Werde ich dann zu späterer Zeit meinem Volk einen Erlass verkünden, dem es nicht folgen mag, so verwehrt ihnen eure Gunst und pfändet deren Eigentum - ganz so, wie es euch beliebt!«
Den Großteil des Geldes aber reichte Königin Ferkel an König Amabo weiter. Schließlich durfte dessen Kriegskasse nicht all zu sehr leiden. Der Preis für ihren dunklen Pakt.
So fiel der Teufel ein in das Königreich Ferkel, gleich wie in das Land von König Malsi.

Doch auch nach den Monaten des Krieges, nachdem das Königreich Malsi besiegt worden war, hörte das Leid für die Menschen im Reich nicht auf. Sie litten an Hunger, es mangelte ihnen an Wasser, sie waren krank, elend und hilflos. Von den fremden Soldaten beherrscht, dahinsiechend durch deren Gift. All ihre Bodenschätze, diese, die sie zuvor reich gemacht haben, riss sich König Amabo unter seine gierig schwarzen Finger. Nur wenigen Bürgern im Lande Malsi war es vergönnt, mit König Amabo ein Bündnis einzugehen, das sie reich machte. Alle anderen waren arm und siechten dahin im Dreck.
Dies brachte natürlich unter den Bürgern des Landes Malsi eine große Unzufriedenheit aber auch Misstrauen hervor. Sie alle begannen damit, sich gegenseitig zu verdächtigen und zu beschuldigen. Dahingehend, dass sie mit ihrem Feind Brüderschaft tränken.
So dauerte es nicht lange und einzelne Gruppen verbündeten sich miteinander. Ein jeder gegen jeden. Zuletzt aber waren es die geschlagenen Soldaten von König Malsi, die auf geheimen Kanälen Taler, Waffen, Schlachtrösser, Essen und Wasser im Überfluss erhielten. Nicht aber dafür, dass sie die Armeen von König Amabo vertrieben. Nein, sie sollten gegen ihre eigenen Landsleute den furchtbarsten Terror verüben. So lautete ihr Auftrag. Und weil sie ja schon von Kindesbeinen an nichts anderes gelernt hatten, als sich ihrem König Malsi ungefragt, unreflektiert, unkritisch, willenlos und bedingungslos zu unterwerfen, taten sie, wie ihnen befohlen. Wohl regte sich bei einigen unter ihnen zunächst Zweifel und gesunder Menschenverstand, dahingehend, ob dies alles rechtens sei. Hier aber erging das Wort ihres Königs an sie, der ihnen versicherte: »Euch mag es zuwider sein, in meinem Namen derartige Schandtaten zu verüben. Ich aber versichere euch, wenn einer meiner Diener unter meinem Befehl Derartiges tut, so ist es, als habe ich es selbst getan. Hiermit seid ihr entschuldet und verdient euch so den großen Lohn!«
»Malsi ist am größten«, schrien daraufhin die irregeleiteten Soldaten im Chor und zogen aus, um Blut zu vergießen. Das Blut ihrer Freunde, Nachbarn - ja sogar das ihrer eigenen Familie, wenn diese sich dem teuflischen Diktat von König Malsi nicht unterwerfen wollten.

In unserem ehemals herzensguten Land wandelte sich derweil die Stimmung unter dem Volk von Tag zu Tag. Sie alle verloren mit jedem geliehenen Taler ein weiteres Stück ihrer Herzen. Für jeden Taler, den sie sich liehen, mussten sie zwei zurückzahlen. Da es aber nur eine begrenzte Zahl von Talern im Lande gab, begannen die Menschen sich untereinander zu übervorteilen. Ein jeder suchte nach einem Weg, neben dem Bedarf des Lebens seine eigenen Schulden berappen zu können. Ganz gleich, wie es dem Nachbarn erging. So verwandelten sich die Herzen der Menschen nach und nach in Stein. Zuletzt besaß ein jeder nur noch eine wage und traurige Ahnung davon, wie es einst Mals war, als sie noch Herzensgüte besaßen und sich diese einander, wie selbstverständlich schenkten. Und all dieses Leid nur aus dem einen Grunde - weil ihre Königin in Wahrheit so hässlich war.
Das führte natürlich dazu, dass nach und nach die Sitten und Gebräuche des Volkes in Vergessenheit gerieten. Ja, auch feierten sie keine Feste mehr und sangen keines ihrer Lieder - so wie einst. Und noch schlimmer als das, verwandelten sich ihre Bräuche teilweise in deren Gegenteil. Ganz zum Schrecken all der Menschen in dem Land, die schon seit vielen, vielen Jahren in dem Reich von Königin Ferkel zu Gast waren. Diese kamen vor langer Zeit auf Einladung der Königin aus dem Königreich Malsi angereist, um dem Wohlstand des Landes zu dienen und ebenso daran teilzuhaben.
Da diese Gäste mit dem Wandel in dem Land nicht einhergehen wollten, kapselten sie sich von dem Volk gänzlich ab und begründeten ihre eigene Kultur. So, wie sie es zuvor in ihrem Königreich Malsi gelernt hatten. Dies führte natürlich über kurz oder lang zu Auseinandersetzungen und Konflikten in unserem ehemals herzensguten Land. Einzig deswegen, weil zuletzt ein jeder um seine eigene Wahrheit zu ringen bemüht war. Diejenigen in dem Volk, die sich für friedensschließende Maßnahmen einsetzten, wurden nicht mehr gehört. Die Keiltreiber indes eroberten die Podien auf den Marktplätzen und wurden zu den neuen Marktschreiern.
Beherzt griff hier die Königin ein und ließ im ganzen Land verkünden: »Malsi gehört zu Ferkel!«
Und der Spiegel log weiterhin: »Ist sie nicht schön, unsere Königin?«

Die Jahre gingen dahin durch die drei Königreiche. Diese, über denen die dunklen Wolken immer düsterer wurden. Die Völker von Königin Ferkel, König Amabo und König Malsi litten unter ihrer Armut und siechten dahin in ihrem Elend. Die beiden Könige, die Königin und all ihre Verbündeten indes frönten ihrer vollen Bäuche, saßen in ihren Logen, tranken die leckersten Weine und erfreuten sich an dem schandhaften Schauspiel.
»Nun ist die Zeit gekommen«, dachte sich König Malsi im Geheimen, »Nun werde ich meine Feinde, König Amabo und Königin Ferkel, bezwingen. Und das auch noch mit Hilfe von Königin Ferkel! Ha ha ha!«
»Nun ist die Zeit gekommen«, dachte sich König Amabo im Geheimen, »Nun werde ich meinen Feind, König Malsi, in die Knie zwingen. Mit Hilfe von Königin Ferkel! Ätsche Bätsch!«
»Nun ist die Zeit gekommen«, dachte sich Königin Ferkel im Geheimen, »Nun werde ich erstrahlen im Truglichte meiner falschen Herzlichkeit. Mit Hilfe von König Malsi und König Amabo! Dem Spiegel sein Bild sei Dank!«

König Malsi sandte seine Boten aus in das Land von Königin Ferkel und ließ verkünden: »Oh Volk, höre zu. So kann es nicht weiter gehen. Ihr seid die Einzigen, denen wir noch Vertrauen schenken wollen. Unsere eigenen Soldaten töten uns, plündern uns aus und schänden unsere Frauen. Wir wissen nicht mehr ein noch aus!«
Als das Volk diese Worte hörte, schrien sie alle auf: »Was geht uns das an? Wir haben ja selber kaum genug zum Leben. Es ist doch euer Krieg, für den wir keine Verantwortung tragen. Und viel mehr als das, so gaben wir alle unseren letzten Taler. In der Hoffnung, dieser möge euch zum Frieden verhelfen. Nun aber müsst ihr selber zusehen, wie ihr klarkommt!«

Da erging das geheuchelte Wort von Königin Ferkel an ihr Volk: »Wie könnt ihr nur so grausam sein? Wir leben hier im Überfluss und in Frieden. Wohl haben wir auch unsere Probleme. Ebenso trägt niemand von uns an deren Leid auch nur die geringste Schuld. Ich am allerwenigsten. Doch verglichen mit denen da, geht es uns doch wirklich gut. Bitte besitzt so viel Herzensgüte und nehmt die vielen Notleidenden bei euch auf. Wenn ihr dazu nicht bereit seid, dann ist dies hier nicht mehr mein Land!«

Als das Volk das Wort Herzensgüte vernahm, horchten viele unter ihnen auf. Sowohl Jung als auch Alt.
Sie sagten sich: »Ja, das war es einst, was wir besaßen. Das Einzige, was wahrhaft unser Reichtum war. Trotz all unserer Not, unserem Elend und der goldnen Ketten, die uns derzeit binden, so geht es uns doch im Vergleich zu denen da wirklich gut. Wenngleich wir selber nicht mehr viel besitzen, so werden wir das Wenige, was wir haben, mit diesen armen Menschen teilen. Wir wollen unsre Herzen wieder erweichen, so wie wir einst Mals waren. Denn nur wer selber Gutes tut, wird Gutes empfangen. Lautete nicht so eines unserer alten Lieder?«
So machten sie sich auf und hießen Willkommen all die Not leidenden Menschen, die zu ihnen kamen aus dem Land des Ostens. An der Zahl Tausende über Tausende Menschen. Väter, Mütter, Kinder. Aber auch eine ungezählte Überzahl von ledigen, jungen und gesunden wohlgenährten Männern im besten Alter. Dennoch. Sie alle fanden in den Häusern des Volkes eine Stätte der Ruhe und des Schutzes. Am warmen Ofen sitzend reichten die Menschen ihnen heiße Getränke und frische Brote. Sie hüllten sich ein in kuschlige Decken und träumten das erste Mal seit langer, langer Zeit einen friedlichen Traum.

Und die vielen Menschen aus dem Volke von Malsi dankten der großen Herzensgüte von Königin Ferkel. Dafür, dass sie mit nur wenigen Worten die Herzen ihres Volkes zu erweichen im Stande war. Königin Ferkel wähnte sich am Ziele ihrer Träume. Mit funkelnden Augen besah sie sich die Menschen, die über die Grenze in ihr Land strömten. Sie alle hielten als Ausweis einen Lügenspiegel in der Hand. Auf diesem erstrahlte das geheuchelte Bild der Königin. Und zusammen jubelten sie dem Volk des Herzens zu, das eine neue Kultur begründete. Sie nannten sie, die Kultur des Willkommens.

Aber im Volk regte sich dennoch Widerstand. So gab es viele, die mahnten: »Seid nicht all zu spendabel mit eurer Herzensgüte. Habt ihr etwa vergessen, wie sich diese da aufzuführen pflegen? Dann, wenn sie eines Tages in der Mehrzahl sind? Sie lehnen unsre Bräuche ab. Ja, anerkennen nicht einmal das Gesetz unserer schönen Königin. Gebt ihnen Wasser und Brot. Das sei genug. Dann aber schickt sie ihres Weges. König Amabo ist es doch, der ihr Leid heraufbeschwor. Soll er sich mit ihnen plagen!«
»Wie könnt ihr Dunkelschimpfer nur so herzlos sein«, wetterten wiederum andere, »Schuld hin oder her. Wir wollten diesen Krieg an keinem Tage. So wollen wir ihn auch nicht weiterführen in unserem Lande über die Köpfe der Notleidenden hinweg!«
»Ja, aber seht ihr denn nicht, dass unter diesen da auch eine Vielzahl von strammen Männern verweilt, die nur darauf warten, euch eurer Herzensgüte zu berauben? Diese an sich zu reißen, euch zu schwächen? Hernach, wenn ihr kraftlos seid, euch um Heim und Herd berauben wollen?«

Wie wahr, wie wahr!!!

Denn das, was diese Dunkelschimpfer anmahnten, entsprach in der Tat dem Plan von König Malsi. Durchaus waren die meisten der Menschen, die aus seinem Reich flohen, in der Tat notleidend und empfingen die Gaben des Volkes zu Recht. Auch wussten sie um diese zu Danken und sich zu benehmen.
Jedoch waren es eben diese jungen Männer im besten Alter, bei denen die Frage erlaubt war zu stellen: »Was kommt ihr her zu uns? Weshalb beleibt ihr nicht in eurem Land und helft dort mit eurer jungen Kraft den Frieden und euren Wohlstand wiederherzustellen?«
Diese vielen ungezählten jungen Männer aber antworteten sogleich im Chor: »Malsi ist am Größten!«, zuckten ihre Säbel und richteten ein dunkles Blutbad im Lande der Herzensgüte an. Mit brachialer Gewalt unterwarfen die Soldaten von König Malsi die Überlebenden dieses Massakers, schändeten die Frauen, nahmen sich Heim und Herd. Zuletzt teilten sie das Land unter ihren eigenen Leuten auf.
Durchaus waren unter den ehemals notleidenden Menschen auch viele, die dieses dunkle und böse Spiel nicht mitmachen wollten. Laut riefen sie: »Was seid ihr doch für Teufel? Wir schämen uns für euch. Diese da, die ihr dahingeschlachtet habt, hatten gute Herzen. Sie nahmen uns auf in unserer großen Not. Gaben uns die Hälfte all dessen, was sie besaßen. Ihr aber dankt er ihnen einzig mit dem Tod?«
Die jungen Soldaten aber lachten nur hämisch, zogen ihre Säbel und schnitten ihren Kritikern die Zunge aus dem Hals. Natürlich, bevor sie ihnen die Köpfe vom Rumpf abschlugen.

»Ach herrweh«, klagte da die dumme, hässliche Königin, »Das konnte doch nun wirklich niemand wissen. Und all dies nur aus dem einen Grunde. Weil mein Volk meinem verlogenen BILD im SPIEGEL glaubte!«
Hernach vergoss sie eine Träne. Und das Letzte, was sie hörte, bevor das Schwert auch ihren Kopf vom Rumpfe trennte, war: »Malsi ist am größten!«

Und wie ging es weiter mit König Malsi und König Amabo sowie mit deren Völkern?

Nun, König Malsi hatte durchaus einen großen Sieg errungen. Über das Volk der Herzensgüte. Weiter bis hier aber hatte er gar nicht geplant. Dachte er doch tatsächlich, mit dem Sieg über das Ferkel wäre ihm auch der Sieg über das Flapsohr gewiss. Naiv, naiv.
Als er das begann zu begreifen, sorgte er sich gar sehr. Da aber ereilte ihn die Erkenntnis. Wenn es eines war, was König Amabo noch mehr zu besitzen erhoffte als die Bodenschätze des östlichen Landes, dann das Wissen darum, wie es ihm gelänge, dass sein eigenes Volk sich ebenso derart ungefragt, unreflektiert, unkritisch, willenlos und bedingungslos ihm unterwerfe. So wie das Volk von König Malsi es tat.
Also trat König Malsi an König Amabo heran und überreichte ihm ein grünes Buch. »Lies«, forderte er den König auf, »Dann wirst du um die Wahrheit wissen. Diese, die dir dabei helfen wird, deinen Willen deinem Volk derart aufzuzwingen, dass es sich voll der Freude ungefragt, unreflektiert, unkritisch, willenlos und bedingungslos vor dir verneigen wird! Auf ewig! So du mein Angebot annehmen magst, ersuche ich dich einzig um die einhundert Blondinen, mein Leben und das Schmachgemach!«
»Wie wohl, wie wohl«, antwortete König Amabo vergnügt, schnappte sich das Buch und unterwarf alle Königreiche dieser Welt seiner dunklen und bösen und geizigen und verbrecherischen und schändlichen und teuflischen Macht.

Und wenn er nicht gestorben ist? Naja - vermutlich vergewaltigt König Amabo in diesem Augenblick seinen Ehemann!

»Oh, sorry Mister König. Nein, nein. Das wollte ich nicht schreiben. Nein ehrlich. War ein Verschreiber. Frau - äh Hund - nein äh - ach HAMSTER wollte ich schreiben - ja Hamster. Nein ... äh ... bitte glauben Sie mir Eure Majestät. Nein ... nein ... bitte ... nein ... nicht ... aaaaaaaaaaahhhhh!«
GURGEL - WÜRG - TROPF BLUT - UND TOT!

Wie? Das war es schon?
Ja, denn nicht jedes Märchen kennt ein gutes Ende. Mit einem edlen Ritter oder so. Der da herkommt, hoch zu seinem Ross. Blitzende und funkelnde Rüstung gepanzert um seine Brust. Speer, Lanze, Pfeil und Bogen im Anschlag, um den Feind mit nur einem Hiebe zu vernichten. Denn die Wahrheit ist des manchen Males nicht so einfach zu erkennen. Gut und Böse sind hier und da nicht leicht voneinander zu trennen. Häufig wähnen wir den Guten in dem Bösen und desgleichen umgekehrt. Eben dies geschieht allerorts, dort wo es hängt, das falsche BILD im SPIEGEL. Bist du diesem trügerischen Bild erlegen, ist es meistens schon zu spät. Da hilft nur noch eines - WACH AUF DU SELTEN DÄMLICHER TROTTEL UND BEWEG DEINEN MÜDEN FAULEN ARSCH - EHE ES IST ZU SPÄT. SCHALTE DEIN EIGENES GEHIRN EIN UND NUTZE ES SELBST.

Wenn ich ehrlich bin. Sie gefällt mir schon - die Vorstellung von dem edlen Ritter hoch zu Ross. Aber weißt Du was? Das Sommermärchen ist jetzt geschrieben.
Wie wäre es - Du bist der edle Ritter hoch zu Ross und spinnst Dir Dein eigenes Ende zurecht.

Und? Wie ginge Dein Sommermärchen aus?

  • Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen oder realen Ereignissen sind reiiiiiiiiin zuuuufäääääälig. Ganz ehrlich! Und was können die Könige Amabo und Malsi dafür, wenn zu unserer heutigen Zeit Menschen leben, die deren Namen verwenden, diese aber rückwärts schreiben. Also wirklich!!!
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