Teil
1: Die Revolution beginnt im Herzen!
»Noch ein Wein?«, fragt Medardon seinen Gast.
»Gerne«, antwortet Richard und reicht ihm sein Glas.
Medardon liebt es, wenn der abendlich kalte Herbstregen
gegen das große Küchenfenster prasselt und drinnen, in der warmen Stube, er mit
seinem besten Freund bei Kerzenschein und leiser Musik zusammensitzt,
weltbewegende Gespräche führend. Seine geräumige Wohnküche, ausgestattet mit
einem alten hellgrünen Sofa aus Omas Zeiten und einer brasilianischen Teekiste
als Tisch. Er mag es, die Einrichtung seiner geliebten Wohnküche zu
patchworken. Moderne Küchenzeile mit Granitflächen und hierzu im Kontrast ein
20er Jahre Küchenschrank, den er vor dem Sperrmüll gerettet und aufgemöbelt
hat. Der liebevoll gepflegte Benjamini hinter dem Sofa verleiht dem Raum sein
beruhigendes Leben, welches trotz der Bilder an den Wänden,
bunte Collagen seiner unzähligen Weltreisen, an Ausdruck gewinnt.
Das Sofa hingegen ist seinem Gast vorbehalten. Er selbst
bequemt sich ihm gegenüber in den antiken orangefarbenen Sessel mit den hohen
Lehnen. Zu seinen Füßen, auf einer dunkelblauen weichen Decke, ruht sein treuer
Begleiter Wunbert - ein wunderschöner brauner Hirtenhund.
»Schluss - aus - genug geschimpft, kritisiert,
reflektiert. Jedenfalls - vorerst«, wirft Medardon in das bereits zwei Stunden
dauernde Gespräch ein.
»Ja«, sagt Richard, »in der Tat ermüdend, sich permanent
die Missstände unserer Welt vor Augen zu führen!«
»Du sagst es. Viel wichtiger ist es doch, sich mit eben
den Dingen zu beschäftigen, die dazu beitragen, konstruktive Veränderungen in
unserer Gesellschaft herbeizuführen!«
»Eben. Reden ist Silber, Handeln ist Gold«, bestätigt
Richard und prostet mit seinem Glas in die Luft, hernach einen genüsslichen
Schluck nehmend. »Menno ist der Wein lecker. Was ist das für eine Marke?«
»Coteaux des Longudoc«, gibt Medardon mit einem Nicken
zurück.
»Oh Longudoc«, schwärmt Richard mit französischem
Akzent, »Fronnkreisch - Viva la Revolution und heiße Madames!«
»Schwerenöter«, lacht Medardon, »aber ja - Revolution.
Das ist das wahre Stichwort!«
»Aha, und wie sieht sie aus, deine Revolution?«
»Still und leise. Ungesehen von der Welt!«
»Toll. Also im Grunde das, was wir hier machen. Reden,
Wein trinken, Erdnüsse knacken und nicht zuletzt von schönen Frauen schwärmen!«
»Ja, in etwa so«, gibt Medardon lächelnd zurück,
»dennoch nicht ganz so untätig. Die wahre Revolution beginnt nämlich in deinem
Herzen!«
»Im Herzen«, überlegt Richard, »Klingt wie ein schnöder
Spruch auf einem Abreißkalender! Aber ich kenne dich - das wirst du sicher nicht
gemeint haben!«
»Du sagst es!«
Kurz wartet Richard noch, da er annimmt, sein Gastgeber
wolle seinen vorherigen Gedanken weiter ausführen. Medardon hingegen verharrt
in seinem Schweigen.
»Hm«, überlegt Richard, da er seinen eigenen
Erkenntnissen nachgeht, »Herz - sprich meine Lebensauffassung, Prägung, Kultur,
Erziehung, Erfahrungen. Summa summarum meine Identität!«
»Richtig«, applaudiert ihm Medardon.
»Gut verstehe. Aber was meinst du mit Revolution? Soll
ich gegen meine eigene Identität einen Umsturz planen?«
»Ha ha ha«, lacht Medardon, »Nein, so ist das nicht
gemeint. Ich spreche hier von einer Bereicherung und Stärkung!«
»Klosterfrau Melissengeist«, amüsiert sich Richard
singend.
»Ja - warum nicht«, geht Medardon auf seinen Scherz mit
ein, führt aber seinen eigenen Gedanken sogleich weiter aus. »Im Grunde ist es
doch wie mit einem Körper, der von Krebs befallen ist. Mittlerweile besteht in
der Krebstherapie ein klarer Konsens darüber, dass der Krebs nicht alleine
durch dessen Bekämpfung besiegt werden kann. Viel erfolgsversprechender und
heilsamer ist es, im Rahmen der Therapie die gesunden Zellen des Köpers sowie
das Immunsystem im Ganzen zu stärken. Gewinnen diese an Kraft, können die
gesunden Teile des Köpers vom Krebs nicht gefressen werden, so das todbringende
Geschwür ausgehungert wird!«
»Logisch«, bestätigt Reichard und will nun wissen:
»Ergo?«
»Nun - wenden wir diese Erkenntnis als Bild an - zur
Verdeutlichung auf unser vorheriges Thema!«
»Auf den Islam?«, fragt Richard irritiert.
»Ja. Der Krebs steht hier für den Islam, welcher unsere
westlichen sowie christlichen Grundwerte aufzufressen beabsichtigt. Je mehr wir
uns nun aber ausschließlich nur mit diesem Tumor beschäftigen, umso mehr
Energie wenden wir für ihn auf und geben diesem Geschwür immer mehr Nahrung.
Dadurch wuchert es immer weiter - bis es zuletzt auch noch seinen letzten
Kritiker gefressen hat!«
»Verstehe. Unser deutscher Köper also ist krank«,
erkennt Richard und will wissen: »Was wäre deiner Meinung nach das Immunsystem
und was die gesunden Zellen des Körpers? Diese, die es zu stärken gilt?«
»Das Christentum«, antwortet Medardon wie
selbstverständlich.
»Jetzt mach mal einen Punkt, ja«, erstaunt sich Richard,
»Von diesem Verein erhoffst du dir eine Revolution?«
Obgleich Medardon sehr genau weiß, was sein Freund nun
auszusprechen gedenkt, und dass dies überhaupt nichts mit dem zu tun hat,
worauf er selber hinaus will, lässt er Richard dennoch gewähren. Besser ist es,
so denkt sich Medardon, dass es ausgesprochen wird, so es dann zu den Akten
gelegt werden kann. Daher antwortet er schlicht und einfach: »Ja!«
»Das erschreckt mich doch sehr«, sagt Richard, »Gut. Ich
kenne dich und will dir auch nicht zu nahe treten - was deinen Glauben
anbelangt. Aber das Christentum - ein gesundes Immunsystem? Von was für einem
Unfug redest du da?«
»Wieso Unfug?«, stachelt ihn Medardon weiter an.